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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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und von mir aus auch in Ingrid drin, »hast du eine Ahnung, wo sie den Leichnam verstaut haben, bis zur Seebestattung?«
    »Urgs, wassumallesinnerwelt willzu denn mit dem? Kein Kopf mehr dran unn-alles.«
    »Jochen, der Mann ist ermordet worden.«
    »Ah-ah«, machte er, begleitet von einer wackelnden Handbewegung. Bisschen autoritätshörig, unser Jochen Fuchs. Holt das Übelste aus mir heraus, wenn er mir so kommt.
    Ich starrte ihn an, wortlos.
    »Dassagst du«, meinte er, doch man konnte spüren, dass er innerlich mindestens ebenso schwankte wie außen. Plötzlich wusste ich, wie ich ihn kriegen konnte.
    »Jochen«, fragte ich ihn eindringlich, »was sind wir?«
    »Ermittler!«, kam es, blitzartig, aus geblähter Brust.
    Die mit Abstand Nervtötendsten unseres Berufsstandes sind die, die sich für so was wie den verlängerten Arm der Polizei halten. Sie haben nichts, aber auch gar nichts kapiert.
    »Und als solche«, behauptete ich, »müssen wir Spuren sichern, oder?«
    Er nickte gravitätisch. »Also, weißt du, wo er ist?«
    »Klardoch.« Und, nach einigem weiteren Nicken: »Unnungefähr.«
    »Na, dann lass uns mal nachsehen.«
    »Was ist das?«, fragte ich und meinte die zwölf herdklappengroßen Metalltüren zu unserer Rechten. Jochen fluchte leise und rieb sich den Steiß, auf dem er die Eisentreppe hinuntergeholpert war.
    »Gottverdammter e-helender Scheiß-Seegang«, murmelte er und sog den Atem zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. »Reißt einem glatt die Fü-hüße unterm Arsch weg.«
    Ich wollte noch mal nach der Funktion der Türen fragen, doch Jochen war abgelenkt. Er hatte seinen Gürtel geöffnet und tastete seine Kehrseite nun innerhalb der Hose ab. »Nur noch rohes Fleisch«, konstatierte er. »Werde für Tage aufm Bauch schlafen müssen. Und in der Missionarsstellung bumsen. A-hapropos Bumsen. Weißt du eigentlich, wie lange ich schon nicht mehr gebu-humst habe?«
    Ich wusste es, aber ich sagte nichts.
    »Vier Wochen!«, meinte er grimmig.
    Es waren immer vier Wochen bei Jochen. Eine Art von Grundeinstellung des Gedächtnisses, denke ich.
    »Und du bist Zeuge«, wechselte er das Thema, »dass die-hies hier ein Beruhufsunfall war.«
    Er konnte ein Jahr nicht gefickt haben, doch in seiner Erinnerung waren und blieben es immer vier Wochen. Beneidenswert.
    »Da bin ich mir nicht sicher«, widersprach ich. »In wessen Auftrag sind wir denn hier?«
    »Der Wahrheit!«, fuhr er mich an, und letzte Bröckchen seines letzten Auswurfs fuhren mit. »Im Auftrag von Wahrheit, Recht und Gesetz!« Wichtigtuerisch begann er, sich die Hose wieder zuzuknöpfen.
    Die herdklappengroßen Stahltüren waren mit abschließbaren Griffen versehen, ähnlich denen von Gastromomie-Kühlschränken. Ich zögerte, so wie ich vor dem eigenen Kühlschrank zögere, wenn ich mal wieder eine Zeit lang nicht zu Hause gewesen bin.
    »Doch während du«, sinnierte Jochen weiter, hartnäckig, »Recht und Gesetz ja mehr als sinnloses Regelwerk ansiehst, einzig geschaffen, dich in deinem Fahr-, Ermittlungs- und so-honstigem Lebensstil zu be-he-hindern, stehe ich mit beiden Beinen -«
    Wahllos probierte ich einen der Griffe, die Klappe schwang mühelos auf und ein Licht ging an. Ich holte Luft wie jemand, der sich einen Amboss hat auf die Zehen fallen lassen.
    »Wass’n?«, wollte Jochen wissen, blickte mir neugierig über die Schulter und - wie ich - dem toten Steward von oben in den Hals. Mit einem raschen Schritt zur Seite brachte ich mich aus der Schusslinie, bevor Jochen auf die ihm ureigene Weise auf diesen Anblick reagieren konnte. Wäre da nicht der strenge Duft halb verdauter Alkoholika gewesen, man hätte meinen können, es bei Jochen mit einem Rohköstler zu tun zu haben.
    »Obsttag?«, fragte ich und deutete auf den Boden zu seinen Füßen. Den Großteil der Einlagen seiner bunten Drinks schien er unzerkaut hinuntergespült zu haben. Hätte mich nicht gewundert, wenn irgendwo in all dem Zeugs auch noch ein buntes Schirmchen herumgeschwommen wäre.
    »Wowo issn der Kopf?«, wollte Jochen wissen, ohne auf meine Frage einzugehen. Gemeinsam probierten wir die Klapptüren durch, bis uns der Erste Steward unter schweren Lidern hervor ansah. Das war mal ein schöner Mann gewesen. Graue Schläfen, tadellose Frisur und Manieren, herablassend-freundlich den Herren unter den Passagieren und zuvorkommend-galant den Damen gegenüber, von leicht olivenöligem Charme, möchte ich sagen. Die grauen Schläfen waren alles, was davon

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