Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
dieser seiner Art hielt, hatte die Hand schon flach auf seiner Brust, um ihn mit Kreuz und Hinterkopf gegen die Wand in seinem Rücken zu wuchten, da bemerkte ich den Schweiß auf seiner Stirn und die Unsicherheit in seinem Blick.
    »Was du wissen musst«, vertraute er mir an, weiterhin in halblautem Tonfall, »ist Folgendes.« Und er kaute kurz auf seiner Unterlippe herum, konzentrierte sich, bevor er fortfuhr. »Ich hab keine Ahnung, wer das war, mit Fjodr. Und auch nicht mit Wassilij.« Damit sah er hoch zu mir, starr in meine Augen, als ob er versuchen wollte, mit Blicken zu transportieren, was er mit Worten nicht sagen wollte oder konnte. Oder durfte.
    Mir fiel dazu, ehrlich gesagt, im Moment wenig ein, also sagte ich: »Schön.« Und als er darauf nicht einging, schickte ich noch ein »Und?« hinterher.
    Antonov löste den Blick, sah zur Seite und seufzte. Ich war mir sicher: Er hatte etwas zu verbergen, irgendetwas laufen hier an Bord, er wusste nicht, ob und wie weit er mich ins Vertrauen ziehen konnte, und er war sich auch nicht im Klaren, was und wie viel ich eh schon wusste. Knifflig.

Er ließ meinen Arm los. Schnalzte mit der Zunge.
    »Hör zu«, machte er einen neuen Anlauf. »Das mit deiner Suspendierung, da kann ich nichts für.«
    »Dann mach sie doch rückgängig«, riet ich.
    »Das ist anderswo entschieden worden«, fuhr er fort, ohne auf meinen Rat einzugehen, und deutete vielsagend in Richtung der gelblichen, mit Kabeln, Rohren und den gelegentlichen Glühbirnen in ihren Drahtkäfigen verzierten Metalldecke.
    »Bist du nun Chef der Security oder was?«
    Er grimassierte, machte auf hilflos.
    »Antonov«, sagte ich, legte ihm wieder die Pfote auf die Brust, schob ihn rückwärts an die gegenüberliegende Wand und rückte ihm so dicht es nur ging auf die Pelle. »Du wolltest mich von Anfang an nicht in deiner Truppe haben. Jetzt bist du mich los. Warum also freust du dich nicht?«
    Er machte sich frei, blickte finster.
    »Du verstehst nicht«, knurrte er und hatte Recht damit. »Das war alles nicht so geplant.«
    Ich begann mich zu fragen, was denn der Plan gewesen sei, sagte aber nichts. Wer etwas hören will, muss auch mal die Klappe halten können.
    »Plötzlich diese Morde … Okay, bei Wassilij, da hätte es noch Selbstmord sein können …«
    Ich schnaubte trocken.
    »Was versteh denn ich davon?!«, rechtfertigte er sich. »Da war der Draht, da war der Doktor, und der Käpt’n hatte auch nichts einzuwenden …« Antonov rieb sich das Kinn, sah routinemäßig den Gang rauf und runter. »Doch dann Fjodr … Ich geb zu, ich hatte ein Auge auf ihn geworfen …«
    »A-ha!«, sagte ich mit Grabesstimme, und er warf mir einen überraschten Blick zu.
    »Nicht, was du denkst«, brauste er auf und wand sich kurz unter meinem inquisitorischen Blick.
    »Du kennst Russland nicht«, wechselte er abrupt das Thema. »Kaum jemand kann da von dem leben, was er mit seinem normalen Job verdient. Jeder Zweite in Russland ist ein bisschen mehr oder ein bisschen was anderes, als es nach außen den Anschein hat. Und Fjodr … Weißt du eigentlich, wie er an diesen Job gekommen ist?« Antonov wurde richtig lebhaft jetzt. »Es hieß, sein Vorgänger, ebenfalls ein Russe, hätte gekündigt!«
    Er sah mich an, als ob er erwartete, ich fiele jetzt in Ohnmacht. Doch mir war noch nicht mal schwindelig. »Einen Job wie diesen!«
    Immer noch nichts. Okay, ich hätte einen Stuhl brauchen können, diese Steherei wurde langsam anstrengend, doch ansonsten …
    »Ein russischer Pianist! Auf einem deutschen Schiff! Gekündigt!« Antonov verlor die Geduld mit mir. »>Whoa<, hab ich gefragt, >wo ist er denn hingewechselt? Zu den Scorpions?<«
    Ich verzog ein bisschen das Gesicht. Es ist nicht nur ihre Musik. Auch die Namensgebung der Band erscheint mir, angesichts der Abwesenheit aber auch nur des kleinsten Stachels, genauso irregeleitet wie die ähnlich lautende Benennung dieser Familienkutsche von Ford, doch das nur nebenbei.
    »Die nackte Wahrheit ist, Kristof, so einen Job wie den hier gibt man nicht auf. Nicht, wenn man Russe ist. Nicht freiwillig.« Wir schwiegen kurz, die Lüftungen summten, von ferne brummten die Diesel, und ich fragte mich, worauf dieses Gespräch hinauslaufen sollte.
    »Worauf ich hinauswill«, sagte Antonov schließlich, »ist dies: Meine Leute sind für ihre Aufgaben hervorragend ausgebildet. Aber sie sind keine … Ermittler. Ich will, um es kurz zu machen, dass du mir hilfst herauszufinden, wer

Weitere Kostenlose Bücher