Equinox
gewesen war, verstand seine Arbeit. Was mich umtrieb, war die Neugier, ob er gefunden hatte, was er suchte, oder ob der Gegenstand sich noch hier befand. Nennen wir es professionelles Konkurrenzdenken.
Ich steckte die Hände in die Taschen, sah mich um und um. Das Bett war hastig gemacht. Das Zimmer war gründlich durchsucht und dann ohne besondere Sorgfalt wieder in seinen alten Zustand versetzt worden.
Wie alle Offizierskabinen enthielt auch diese einen Rechner. Ob Wassilij Zugang zu den Listen von Personal und Passagieren gehabt hatte? Als Vorgesetzter von fast einem Drittel der Mannschaft wahrscheinlich. Wahrscheinlich passwortgesichert, aber wer weiß, vielleicht auch nicht. Und ich habe da meinen eigenen Trick zur Passwort-Umgehung.
Sag ich aber nicht.
Ich zog mir den Hocker heran und setzte mich an den kleinen Schreibtisch in der Ecke. Bückte mich und drückte den Startknopf. Das Gebläse ging an, Elektronikbausteine meldeten sich mit leisem Klickern und Klackern zur Arbeit. Nebenbei bemerkt bin ich mir vollkommen sicher, dass das nur elektronische Wichtigtuerei ist. Mir kann keiner erzählen, dass es nicht möglich, nicht machbar sein soll, diese Rechner an- und auszuknipsen wie ein Radio oder einen Küchenquirl. Und sie zu vergleichbaren Preisen anzubieten. Aber nein, um die enormen Anschaffungskosten mit dem Gefühl zu rechtfertigen, etwas Besonderem beizuwohnen, zwingt man den Kunden, nach dem Einschalten erst noch das Showprogramm auszusitzen.
Ich saß, ich wartete. Draußen auf dem Gang näherten sich energische Schritte, passierten die Tür, entfernten sich wieder. Das Klickern und Klackern des Rechners hörte irgendwann auf, doch der Bildschirm blieb schwarz. Ich drückte den Ein/Aus-Schalter des Monitors, wartete, drückte ihn noch mal. Wartete. Nichts.
Das war jetzt der Punkt, an dem ich normalerweise Überforderung vorschützen und irgendeinen anderen Trottel sich mit der störrischen Scheißkiste herumärgern lassen würde. Hm. Ich zog mir die Tastatur heran, drückte »Enter« - nichts - und gab ihr dann mein ganz persönliches Passwort-und-sonstige-Nickeligkeiten-Überbrückungs-Programm zu fühlen. Flache Hand - paff- mit Schmackes auf die linke obere Ecke der Tasten, jetzt kann ich’s ja sagen.
Nichts.
Ich pfriemelte mich am Kabel, das den Monitor mit dem Rechner verbindet, entlang. Ausgestöpselt. Aha! Kryszinski nur noch einen Schritt entfernt vom Hacker-Diplom. Ich zog den Rechner aus seinem Fach. Suchte das Steckerweibchen zu meinem Steckermännchen.
Nichts.
Nichts Passendes zumindest. Ein schmales Loch gähnte in der Rückwand, in etwa die richtige Größe. Und acht runde kleine Offnungen, umgeben von kleinen blanken Rundungen, gähnten, wo die Rückwand mal von acht kleinen Schrauben an ihrem Platz fixiert gewesen war.
Ohne die ließ sie sich mühelos nach oben herausziehen. Die Schräubchen fanden sich im Inneren des Rechners, auf dem Boden. Dafür fehlte etwas anderes.
Ich will jetzt hier kein Expertentum vortäuschen, schon gar nicht im Bereich der Elektrotechnik. Ich weiß nur so viel: Nachdem jemand meiner Yamaha TT unbemerkt die zigarettenschachtelkleine schwarze Box geklaut hatte, konnte ich auf ihrem Starter herumkicken, bis mir die Kotze kam. Da ging nichts mehr. Und ohne den taschenbuchkleinen grauen Kasten, so sagte ich mir, hatte ich bei diesem Rechner hier die gleichen Erfolgsaussichten, ihn mit Kicken zum Laufen zu bringen, wie seinerzeit bei der TT. Keine Festplatte ist keine Festplatte. Denn die hatte jemand geklaut. Wozu?
Ratso, dachte ich. Handliches Format, im richtigen Hafen sicherlich schnelles Geld. Doch dann verwarf ich den Gedanken sofort wieder. Ratso hätte wohl kaum mühsam den Rechner auseinander geschraubt und gleichzeitig die Armbanduhren dagelassen.
»15B bitte augenblicklich an der Rezeption des A-Decks melden!« Herrje, ich fuhr zusammen. Vielleicht besser, ich ging der Aufforderung nach. Bevor ich anfing, mich wie zur Fahndung ausgeschrieben zu fühlen.
Ich hatte den Schlüssel in der Tür schon gepackt, um ihn zurückzudrehen, als ich draußen auf dem Gang Schritte hörte. Leise quietschende Schritte. Mit angehaltenem Atem wartete ich, dass sie vorbeigingen.
Bloß, die Schritte gingen nicht vorbei.
Sie stoppten. Direkt vor, direkt außerhalb der Tür zu Wassilijs Kabine.
Ich stand ganz still.
Die Klinke ging runter, wieder rauf. Sachte, mit einer gewissen Heimlichkeit. Ich spürte meinen Puls. Ein Schlüssel fuhr kratzend ins
Weitere Kostenlose Bücher