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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Überschwemmung heil überstanden hatte, war, zumindest nachdem ich den Kleiderständer gelöscht hatte, mehr als fraglich. Da ist Wumms hinter, hinter diesen C-Rohren.
    Okay, dachte ich und klappte mein Notizbuch wieder zu, von eigener Hand vernichteten Beweismitteln nachzutrauern hat keinen rechten Stil. Passiert ist passiert. Trotzdem …
    Nach der Hitze kommt der Shake, und um dem entgegenzuwirken, gab ich mir den Doppelten mit einem Ruck. Als ich das Glas absetzte, nickte mir Reverend Mycroft »Bill Gates« McNish voll tiefen Verständnisses zu.
    »Darf ich?«, fragte er, und als ich nicht verneinte, quetschte er sich mir gegenüber in die Polster.
    Die Kellnerin kam, sah von mir zum Reverend und wieder zurück und nickte sich eins, als der Geistliche das Gleiche bestellte, wie ich es gehabt hatte.
    Ich wusste nichts Rechtes zu reden mit ihm, deshalb hob ich die Tasse, trank erst mal den Kaffee, ehe er kalt wurde.
    »Meine Kirche«, murmelte McNish, ohne Einleitung, »wäre bereit, zehntausend Dollar auszulohen für die Ergreifung des Bibelschänders.« Anschließend musste er sich halb erheben und quer über den Tisch beugen, um mir auf den Rücken zu klopfen. Ich hatte mich am Kaffee verschluckt. Glatt vergessen, die blöde Bibel.
    Wem hänge ich das jetzt wieder an? War mein erster Gedanke.
    Der Duft ihres honigblonden Haares stieg mir durch die Nase direkt ins Gehirn, das darauf den paradoxen Entschluss fasste, sich selbst den Saft abzudrehen und die Blutzufuhr großzügig einem anderen Organ zukommen zu lassen.
    »Na«, sagte ich, mit schweren Lidern, »na, na, na.« Wie lange, dachte ich, hatte ich meinen … ääh, Zinken in keine … ääh, weibliche Haarpracht mehr gesteckt? »Na«, sagte ich, »na, na.«
    Ich tauge nichts, beobachtete ich mich selbst, als Tröster. Ankje schluchzte an meiner Schulter, sabberte mir die halbe Uniformjacke voll Rotz und Mascara, und alles, was ich zustande brachte, war ein Hormonschub, der mein gesamtes Sprachvermögen zusammenstrich auf ein frühkindliches »Na-na-na«. Dabei war sie, so gesehen, noch nicht einmal mein Typ.
    Sie weinte ohne Hemmungen, sehr jung, sehr mädchenhaft, sehr schutzbedürftig in ihrem Kummer. Ihr weicher Busen wogte mit jedem Schluchzer gegen meine mannhaft breite Brust.
    Ich tauge nichts, dachte ich, als väterlicher Freund und Beschützer. Mir steht da ständig der, ääh, Trieb im Weg.
    »Vielleicht …«, ich räusperte mich, »vielleicht sollten wir uns ein wenig …«, ich sah mich um, aber für zwei Personen, die einander, ääh, beistehen wollten, gab es in Ankjes Kabine wirklich nur die Koje, also … »hinsetzen.«
    Hinsetzen, ja. Die Augen schließen und …
    »Nein.« Sie löste sich von mir, ganz Rotz und Wasser und Wimperntusche, und ich konnte nicht anders, als den Knutschfleck an ihrem Hals zu bemerken. Jochen, dachte ich. Das war ganz sein Stil: »Ah, kommpt ma alle kucken, wo unsa Jochen dran war.« Eine Markierung mit Besitz-Anspruch, ähnlich einem auf die Haut genuckelten Graffiti-»tag«.
    »Ich muss mich fertig machen.« Sie putzte sich geräuschvoll die Nase. »Und so …«, ein Blick in den Spiegel und sie heulte gleich wieder los, »so wie ich aussehe«, schniefte sie, »kann ich unmöglich arbeiten gehen.« Und sie tupfte hilflos an der erneuten Tränenflut herum.
    Weiber, dachte ich. Da enthaupten sie dir den Lover und du machst dir Sorgen um den Zustand deines Makeups.
    »Okay«, sagte ich, »dann lass ich dich jetzt allein. Soll ich mal schauen, ob ich Jochen irgendwo auftreibe und ihn hierhin …«
    »Nein!«, schnitt sie mir das Wort ab. »Halt mir den bloß vom Leib. Das war nichts als ein …«, sie suchte nach einem Wort, »ein Irrtum, das mit ihm.«
    Na, dachte ich, für einen simplen Irrtum habt ihr euch letzte Nacht aber ganz schön rangehalten.
    »Fjodr und ich hatten uns gestritten, gestern, und als er mit …«, Ankje holte tief Luft, »Carla!«, spie sie den Namen aus, »abzog, da …«
    Und schwupps hatte ich sie wieder an der Schulter und salzig floss der schwarze Fluss der Reue.
    Da hat sie es ihm heimgezahlt, dachte ich. Wie man das so macht. Mit dem Nächstbesten, und das war gestern Abend halt unser Freund Jockel gewesen. »Fotzen-Jockel« haben wir ihn früher immer genannt, weil er es bei nun wirklich jeder versuchte, aber das nur nebenbei.
    »Wie war’s denn so?«, fragte ich harmlos. »Mit Jochen?«
    Und sie schüttelte sich unwillkürlich.
    Ganz, ganz allmählich erinnerte ich mich des

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