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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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widernatürliche Existenz offenbar unvermindert fort, teilweise sogar auf ehemaligem Reichsgebiet! Bei aller Nüchternheit konnte ich an dieser Stelle eine gewisse Empörung nicht unterdrücken, im ersten Moment rief ich doch tatsächlich in das Dunkel des nächtlichen Kiosks hinein aus: »Da hätte ich mir den ganzen Krieg ja schenken können!«
    10. Die Reichsmark war kein Zahlungsmittel mehr, obgleich das von mir angestrebte Konzept, sie zur europaweit gültigen Währung zu erheben, offenbar von anderen verwirklicht worden war, vermutlich von irgendwelchen ahnungslosen Dilettanten aufseiten der Siegermächte. Forderungen wurden jedenfalls momentan in einer Kunstwährung namens »Euro« beglichen, die freilich erwartungsgemäß von größtem Misstrauen begleitet wurde. Wer immer das veranlasst hatte, ich hätte es ihm gleich sagen können.
    11. Es schien eine Art Teilfrieden zu geben, doch die Wehrmacht befand sich nach wie vor im Krieg, sie hieß allerdings inzwischen »Bundeswehr« und war in einem beneidenswerten Zustand, ohne Zweifel bedingt durch den technischen Fortschritt. Wenn man den veröffentlichten Zahlen glauben durfte, war von einer praktischen Unverwundbarkeit des deutschen Soldaten im Felde auszugehen, Verluste traten nur mehr vereinzelt auf. Man kann sich meinen Kummer vorstellen, als ich aufstöhnend an mein eigenes, tragisches Los dachte, an die bitteren Nächte im Führerbunker, gramgebeugt über den Karten im Lagezentrum brütend, ringend mit einer feindseligen Welt und mit dem Schicksal: Damals verbluteten an zahlreichen Fronten noch über 400000 Soldaten, und das allein im Januar 1945 – mit dieser fabelhaften Truppe von heute hätte ich Eisenhowers Armeen fraglos ins Meer gefegt, Stalins Horden wären in wenigen Wochen am Ural und Kaukasus zerquetscht worden wie Maden. Es war dies eine der wenigen wirklich guten Nachrichten, die mich erreichten: Die künftige Eroberung von Lebensraum im Norden, Osten, Süden, Westen schien mir mit jener neuen Wehrmacht kaum weniger Erfolg versprechend als mit der alten. Verantwortlich dafür schien im Übrigen die kürzlich erfolgte Reform eines jungen Ministers, der wohl das Format eines Scharnhorst besaß, allerdings aufgrund einer Intrige so missgünstiger wie engstirniger Universitätsgelehrter das Feld hatte räumen müssen. Es schien wohl heute genauso zu sein wie damals an der Wiener Akademie, an der ich weiland hoffnungsvoll meine Entwürfe und Zeichnungen einreichte: Vom Neide zerfressen hemmen die Kleingeister noch stets das frische, unverzagt auftrumpfende Genie, weil sie es nicht ertragen können, dass dessen Glanz das Glimmen ihrer eigenen Mitleid erregenden Lichtlein so deprimierend deutlich überstrahlt.
    Na ja.
    Angesichts dieser allgemein recht gewöhnungsbedürftigen Umstände konnte ich aber zugleich nicht unzufrieden feststellen, dass zumindest vorerst keine akute Gefahr herrschte, obzwar es Unannehmlichkeiten gab. Wie es einem kreativen Geist zukommt, pflegte ich zuletzt lange zu arbeiten, aber auch lange zu ruhen, um die gewohnte Frische und Reaktionsschnelligkeit beibehalten zu können. Der Zeitungskrämer hingegen pflegte berufsbedingt schon am frühesten Morgen seinen Kiosk zu eröffnen, weshalb auch ich, der ich oft meine Studien bis weit in die frühen Morgenstunden ausgedehnt hatte, mit erfrischendem Schlaf ab dieser Uhrzeit nicht mehr rechnen konnte. Verschärfend kam hinzu, dass dieser Mensch schon morgens ein geradezu enervierendes Redebedürfnis hatte, wohingegen ich zu dieser Zeit üblicherweise einer gewissen Findungsphase bedarf. Schon am ersten Morgen betrat er geradezu schwungvoll den Kiosk mit dem Ausruf:
    »Na, mein Führer, wie war die Nacht?«
    Und dabei riss er ohne die geringste Verzögerung seine Verkaufsöffnung auf, worauf ein besonders grelles Licht den Kiosk blendend erhellte. Ich stöhnte auf, kniff die gepeinigten Augen zu, mühte mich, mir die Umstände meines Aufenthalts ins Gedächtnis zu rufen. Im Führerbunker war ich nicht, das stand mir sofort wieder in aller Deutlichkeit vor Augen. Ansonsten hätte ich diesen Trampel sofort standrechtlich erschießen lassen können. Dieser morgendliche Terror war ohne Wenn und Aber die reinste Wehrkraftzersetzung. Dennoch hielt ich an mich, wurde meiner neuen Situation gewahr, ja sprach mir selbst beruhigend zu, dass dieser Kretin aufgrund seines Broterwerbs wohl keine Alternative hatte und es auf seine tölpelhafte Weise wahrscheinlich sogar gut mit mir zu meinen

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