Er ist wieder da
Frankensteinverfilmung mit Boris Karloff. Sie hätten aus ihm eine groteske Kreatur geformt und ihn jedes Mal dem Spott preisgegeben, sobald er über die Bühne schlurfte. Das hatte Goebbels nicht verdient. Göring und Himmler hingegen … Gewiss, sie hatten ihre Meriten, aber ein gerechter Zorn über ihren Verrat glomm immer noch. Andererseits hätten sie Aufmerksamkeit von mir abgezogen. Ich hatte ja gesehen, was mit Wizgür geschehen war.
»Und wenn wir den unbekannten Soldaten nehmen?« Das war vom Hotelreservierer Sawatzki gekommen.
»Wie meinen Sie das?«, fragte die Dame Bellini.
Sawatzki setzte sich aufrecht hin. »Einen großen, superblonden«, sagte er, »so ein SS -Typ.«
»Gar nicht schlecht«, meinte die Dame Bellini.
»Göring wäre der bessere Lacher«, sagte Sensenbrink.
»Wir wollen keine billigen Lacher«, sagte ich in einem Satz mit der Bellini.
Wir sahen uns an. Sie gefiel mir mit jedem Male besser.
»Schön, dass Sie da sind«, begrüßte ich Frau Künast und bot ihr einen Platz an. Sie setzte sich selbstbewusst, wie jemand, der die Kameras kennt.
»Ja, freut mich auch«, sagte sie spöttisch, »irgendwie.«
»Sie fragen sich vermutlich, warum ich Sie eingeladen habe.«
»Weil sonst keiner zugesagt hat …?«
»Oh nein, wir hätten auch Ihre Kollegin haben können, die Frau Roth. Da fällt mir ein: Können Sie mir einen Gefallen tun?«
»Kommt drauf an.«
»Bitte eliminieren Sie diese Frau aus Ihrer Partei. Wie soll man mit einer Partei kooperieren, die so etwas Grauenhaftes beherbergt?«
»Also, das hat bisher weder die SPD gehindert noch die CDU …«
»Nicht wahr, das hat Sie auch gewundert?«
Sie war für einen ganz kurzen Moment irritiert.
»Ich möchte mal hier festhalten, dass die Claudia Roth eine ausgezeichnete Arbeit macht und …«
»Sie haben ja recht, vielleicht genügt es, wenn man sie einfach von den Kameras fernhält, in einem fensterlosen Kellerraum, schallgeschützt – aber da sind wir schon beim Thema: Ich habe Sie eingeladen, weil ich natürlich in die Zukunft planen muss, und wenn ich es recht sehe, braucht man für eine Machtergreifung parlamentarische Mehrheiten …«
»Parlamentarische Mehrheiten?«
»Ja, sicher, wie 1933, da habe ich noch die DNVP gebraucht. Das könnte in absehbarer Zukunft ähnlich laufen. Aber leider gibt es die DNVP nicht mehr, und jetzt dachte ich, ich prüfe mal, wer so infrage kommt für eine neue Harzburger Front …«
»Und da kommen Sie als Ersatz ausgerechnet auf die Grünen?«
»Warum denn nicht?«
»Ich sehe da ja wenig Möglichkeiten«, sagte sie stirnrunzelnd.
»Ihre Bescheidenheit ehrt Sie, aber stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel. Ihre Partei ist geeigneter, als Sie vielleicht glauben!«
»Da bin ich aber neugierig.«
»Ich nehme an, wir haben vereinbare Visionen für die Zukunft. Verraten Sie mir bitte: Wo sehen Sie Deutschland in fünfhundert Jahren?«
»In fünfhundert?«
»Oder in dreihundert Jahren?«
»Ich bin keine Prophetin, ich halte mich eher an Realitäten.«
»Aber Sie werden ja wohl ein Konzept für Deutschland haben?«
»Doch nicht für dreihundert Jahre. Niemand weiß, was in dreihundert Jahren sein wird.«
»Ich schon.«
»Ach? Was wird denn in dreihundert Jahren sein?«
»Die Grünen suchen in ihren Zukunftskonzepten Rat beim Führer des Deutschen Reiches – ich sagte Ihnen doch, dass eine Kooperation gar nicht so unvorstellbar ist …«
»Behalten Sie’s für sich«, ruderte Künast eilig zurück, »die Grünen kommen ganz gut ohne Sie klar …«
»Also schön, wie viele Jahre in die Zukunft reicht denn Ihre Planung überhaupt? Hundert?«
»Das ist doch Quatsch.«
»Fünfzig? Vierzig? Dreißig? Zwanzig? Wissen Sie was? Ich zähle runter und Sie sagen einfach ›Stopp!‹.«
»Kein Mensch kann seriös sagen, dass er kommende Entwicklungen weiter abschätzen kann als sagen wir zehn Jahre.«
»Zehn?«
»… oder meinetwegen fünfzehn.«
»Also gut: Wo sehen Sie Deutschland in einer Viertelstunde?«
Künast seufzte.
»Wenn Sie unbedingt meinen: Ich sehe Deutschlands Zukunft als umweltfreundliches, energiepolitisch nachhaltig versorgtes Hochtechnologieland vor allem für Umwelttechnik, eingebettet in ein friedliches Europa unter dem Dach von EU und UN …«
»Haben Sie das, Werner?«, fragte ich meine Ordonnanz.
»… eingebettet in ein friedliches Europa unter dem Dach von EU und UN «, notierte Werner brav.
»Dass es die EU bis dahin noch gibt,
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