Er ist wieder da
wissen Sie aber?«, fragte ich.
»Selbstverständlich.«
»Sind da die Griechen noch dabei? Die Spanier? Die Italiener? Die Iren? Die Portugiesen?«
Künast seufzte: »Wer kann das heute schon sagen?«
»In der Energiepolitik können Sie das! Da denken Sie in meinen Dimensionen! Wenige bis keine Importe, vollständige Autarkie aus nachwachsenden Rohstoffen, aus Wasser, Wind, das ist energiepolitische Sicherheit auch in hundert, zweihundert, tausend Jahren. Sie können ja doch ein wenig in die Zukunft sehen. Und was soll ich sagen – es ist das, was ich auch immer schon forderte …«
»Moment! Aber aus völlig falschen Gründen!«
»Was haben denn die Gründe mit nachhaltiger Energiewirtschaft zu tun? Es gibt gute Windräder und es gibt schlechte Windräder?«
Sie sah mich ärgerlich an.
»Verstehe ich Sie recht«, hakte ich nach, »zur artgerechten Haltung von Delphinen darf man die gute, gesunde Sonnenenergie verwenden, aber wenn man die ukrainischen Ackerböden mit germanischen Wehrbauern besiedelt, kriegen die nur Braunkohlestrom? Oder Atomenergie?«
»Nein«, protestierte Künast, »dann besiedelt man sie mit Ukrainern. Wenn man sie überhaupt besiedelt!«
»Und die Ukrainer dürfen dann aber Windenergie nutzen? Oder haben Sie da auch spezielle Vorstellungen? Haben Sie für die Energiearten und ihre korrekte Verwendung eigentlich ein Verzeichnis?«
Sie lehnte sich zurück. »Sie wissen genau, dass das so nicht gemeint ist. So wie Sie argumentieren, könnten Sie ja gleich fragen, ob die Ermordung von Millionen Juden mit Solarenergie besser gewesen wäre …«
»Interessant«, sagte ich, »aber das Thema Juden ist nicht witzig.«
Für einen Moment hörte man gar nichts im Studio.
»Stille im Fernsehen ist immer eine Verschwendung kostbarer Volksfrequenzen«, sagte ich. »Machen wir in der Zwischenzeit lieber etwas Werbung.«
Das Licht wurde etwas gedämpft. Einige Mitarbeiter aus der Maske kamen und erneuerten unsere Gesichter. Künast deckte mit der Hand ihr Mikrofon ab.
»Das ist ganz schön an der Grenze, was Sie hier veranstalten!«, sagte sie gedämpft.
»Ich kenne natürlich die Befindlichkeiten Ihrer Partei«, sagte ich, »aber Sie müssen zugeben – ich habe nicht mit den Juden angefangen.«
Sie überlegte kurz. Dann ging das Licht wieder an. Ich wartete den Applaus ab, dann fragte ich: »Begleiten Sie mich bitte zum Kartentisch?«
Wir hatten im Studio rechts außen den alten Kartentisch aus der Wolfsschanze nachgebaut. Ich hatte eine schöne große Reliefkarte der Welt bestellt. »Warum«, fragte ich beim Hinüberschlendern, »verzichtet Ihre Partei in letzter Zeit eigentlich auf die Erfahrung, auf das Wissen eines Mannes wie des früheren Kriegsministers Fischer?«
»Joschka Fischer war nie Verteidigungsminister«, entgegnete Künast brüsk.
»Da haben Sie recht«, pflichtete ich ihr bei, »ich habe ihn auch nie als Verteidigungsminister gesehen. Verteidigen kann man nur Reichsgebiete, und da gehört das Kosovo ja nun nicht unmittelbar dazu. Eine Annexion hätte angesichts der Entfernung auch keinen Sinn gemacht – oder sehen Sie das anders?«
»Eine Annexion des Kosovo stand doch nie zur Debatte! Es ging um die ethnischen Säuberungen … also, ich erkläre Ihnen doch jetzt nicht die Sache mit der Intervention im Kosovo. Da konnte man einfach nicht wegsehen!«
»Niemand hat dafür mehr Verständnis als ich«, sagte ich ernst. »Sie haben völlig recht, es gab da gar keine Alternative, ich kenne das noch von 1941. Was macht denn dieser Fischer eigentlich jetzt so?«
Ihre Augen pendelten zwischen den aktuellen Befindlichkeiten des Herrn Fischer und einer vergleichenden Betrachtung der Balkanpolitik der letzten siebzig Jahre. Sie entschied sich für Ersteres.
»Wichtig ist, dass die Grünen sich um Talente in den eigenen Reihen keine Sorgen machen müssen. Joschka Fischer war und ist eine wichtige Person in der Geschichte der grünen Bewegung, doch jetzt sind andere an der Reihe.«
»Wie zum Beispiel Sie?«
»Wie – unter vielen anderen – auch ich.«
Wir waren inzwischen beim Kartentisch angekommen. Ich hatte die Einsatzorte der »Bundeswehr« mit Fähnchen markieren lassen.
»Darf ich Sie fragen, wie die Grünen den Einsatz in Afghanistan siegreich beenden möchten?«
»Was heißt siegreich beenden – der Militäreinsatz muss dort möglichst rasch beendet werden. Das führt nur zu weiterer Gewalt …«
»In Afghanistan gibt es für uns nichts zu gewinnen,
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