Er ist wieder da
Erinnerungsfoto mit den seltsamen Gesellen über mich ergehen und verließ die Blitzreinigung, nicht ohne mit einem mir gereichten Farbstift zwei Bogen Einwickelpapier signiert zu haben. Es gab noch eine kurze Krise in der Autogrammproduktion, als bemängelt wurde, dass ich nicht mit »Stromberg« unterzeichnet hatte.
»Ach, is ja klar«, beruhigte der Kamerad, wobei nicht eindeutig war, ob er Mehmet beschwichtigen wollte oder mich, »das is ja gar nicht der Stromberg!«
»Stimmt«, assistierte Mehmet, »Sie sind’s ja gar nicht. Sondern der andere.«
Ich muss zugeben, dass ich doch die Größe der Aufgabe unterschätzt hatte. Damals, nach dem Weltkrieg, war ich wenigstens der namenlose Mann aus der Mitte des Volkes gewesen. Jetzt war ich Herr Stromberg, aber der andere. Der Mann, der immer die Nazisachen machte. Der Mann, bei dem es völlig egal war, welchen Namen er auf einen Bogen Einwickelpapier setzte.
Es musste etwas geschehen.
Dringend.
vi.
E rfreulicherweise hatte sich zwischenzeitlich tatsächlich etwas ereignet. Als ich in Gedanken versunken zum Kiosk des Zeitungskrämers zurückkehrte, sah ich ihn auf zwei andere Herren mit Sonnenbrillen einreden. Sie trugen Anzüge, jedoch keine Krawatten, sie waren nicht alt, sie mochten etwa dreißig Jahre zählen, der kleinere von beiden war womöglich sogar jünger, wobei ich das wegen der Entfernung nicht eindeutig zu beurteilen vermochte. Trotz seines offenkundig guten Anzugs war der Ältere erstaunlich unrasiert. Als ich mich näherte, winkte mich der Zeitungskrämer aufgeregt herbei.
»Kommen Sie, kommen Sie!«
Und wieder den Herren zugewandt sagte er: »Das ist er! Der ist klasse. Der Wahnsinn! Da können Sie alle anderen in der Pfeife rauchen.«
Ich ließ mich nicht hetzen. Ein wahrer Führer merkt sofort, schon an kleinsten Details, wenn andere die Kontrolle über eine Situation an sich zu reißen versuchen. Wenn andere sagen »schnell, schnell«, wird der wahre Führer stets versuchen, einer Beschleunigung der Handlungen, einem übereilten Fehlgreifen vorzubeugen, indem er besonderen Bedacht an den Tag legt, wo andere nur kopflos herumeilen wie aufgescheuchte Hühner. Natürlich gibt es Momente, in denen auch Eile vonnöten ist, sagen wir, wenn man in einem Hause steht, das lichterloh brennt, oder wenn man eine größere Zahl englischer und französischer Divisionen in einem Zangenangriff einkesseln und aufreiben möchte bis auf den letzten Mann. Aber es sind diese Situationen doch seltener, als man glaubt, und im Alltage behält Bedacht – natürlich immer im engen Zusammenwirken mit dem kühnen Entschluss! – letzten Endes doch in den weit überwiegenden Fällen die Oberhand, so wie auch im Angesicht des Grauens im Schützengraben oft derjenige überlebt, der mit kühlem Kopfe und eine Pfeife schmauchend durch die Linien geht, statt einem Waschweibe gleich sich wimmernd hierhin und dorthin zu werfen. Andererseits ist freilich Pfeifenrauch keine Garantie für das Überleben in Krisensituationen, es sind im Weltkriege selbstverständlich auch Pfeifenraucher getötet worden, man wäre sogar ein Kretin, wenn man davon ausginge, dass Pfeifenrauch eine schützende Wirkung hätte, es geht überdies auch gänzlich ohne Pfeife und auch ganz ohne Tabak, wenn man beispielsweise überhaupt nicht raucht, wie ich.
Solcherlei waren meine Gedanken, als der Zeitungskrämer ungeduldig auf mich zukam, es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte mich zu der kleinen »Konferenz« geschoben wie ein Maultier. Vielleicht sperrte ich mich auch tatsächlich ein wenig, schließlich hätte ich mich – ohne unsicher zu sein – in meiner Uniform doch wohler gefühlt. Daran ließ sich jetzt allerdings nichts ändern.
»Das ist er«, wiederholte der Zeitungskrämer ungewohnt hektisch, »und das«, und dabei wies er mit der Hand auf die beiden Herren, »und das sind die Leute, von denen ich Ihnen erzählt habe.«
Der Ältere stand an einem der kleinen Stehtische und trank, eine Hand in der Hosentasche, Kaffee aus einem Pappbecher, wie ich es schon mehrmals in den vergangenen Tagen bei den Arbeitern gesehen hatte. Der Jüngere setzte seinen Becher ab, schob seine Sonnenbrille in den Ansatz seiner kurzen, mit zu viel Frisiercreme behandelten Haare und sagte: »Sie sind also der Wunderknabe. Na, an der Uniform müssen Sie aber noch arbeiten.«
Ich betrachtete ihn so kurz wie oberflächlich und wandte mich an den Zeitungskrämer: »Wer ist das?«
Daraufhin bekam der
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