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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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Ziel schien insgesamt in schlichter Unterhaltung am helllichten Tage zu liegen. Das überraschte mich. Natürlich, auch ich hatte es damals mit Freude gesehen, dass gerade im schweren Kriegsjahre 1944 mit der »Feuerzangenbowle« ein wunderbar heiterer Film das Publikum begeistert und auch abgelenkt hatte, aber Heinz Rühmann war doch in der weitaus größten Zahl der Fälle abends konsumiert worden. Wie schlimm musste die Lage also heute sein, wenn das Volk schon am Vormittag mit einer nachgerade heliumleichten Muse bestrahlt wurde? Staunend suchte ich im Apparat weiter und hielt sogleich überrascht inne.
    Tatsächlich saß nunmehr vor mir ein Mann, der einen Text verlas, der so etwas wie Nachrichten zu beinhalten schien, allerdings konnte man das schwer mit abschließender Sicherheit sagen. Denn während der Mann an einem Schreibtisch saß und Berichte vortrug, liefen permanent Spruchbänder durch das Bild, manche mit Zahlen, manche mit Texten, so als wäre das, was der Sprecher vortrug, letzten Endes so unwichtig, dass man währenddessen genauso gut die Bänder verfolgen könnte oder umgekehrt. Fest stand, dass man, wenn man allem folgen wollte, unweigerlich einen Hirnschlag erleiden musste. Mit brennenden Augen schaltete ich weiter, jedoch nur um in einem Kanal zu landen, der dasselbe machte, wenn auch mit andersfarbigen Bändern und einem anderen Sprecher. Unter Aufbietung aller meiner Kräfte versuchte ich minutenlang, das Geschehen aufzunehmen. Eine gewisse Wichtigkeit schien schließlich vorzuliegen, hatte doch offenbar die derzeitige deutsche Kanzlerin irgendetwas verkündet oder gesagt oder entschieden, allein, es war unmöglich, das Gesprochene zu verstehen. Ich kauerte mich direkt vor den Apparat, versuchte, verzweifelt fast, mit den Händen das unwürdige Gewimmel der Worte abzudecken, um mich auf den Inhalt des Gesagten zu konzentrieren, doch stets wand sich neuer Unsinn durch nahezu alle denkbaren Stellen des Bildschirms. Uhrzeit, Börsenkurse, der Preis des Dollars, Temperaturen entlegenster Winkel des Erdenrunds, während ungerührt aus dem Munde des Sprechers Aspekte des Weltgeschehens verbreitet wurden. Es war, als bezöge man seine Informationen aus dem Herzen einer Irrenanstalt.
    Und als wäre das nicht genug des unsinnigen Narrenspiels, verkündete dazwischen so häufig wie unvermittelt eine Reklame, in welchem Geschäft man die preiswertesten Erholungsreisen erwerben könne, eine Behauptung, die im Übrigen eine Vielzahl von Geschäften in absolut identischer Weise verkündeten. Die Namen der Geschäfte vermochte kein gesunder Mensch im Kopfe zu behalten, sie gehörten jedoch alle zu einer Gruppe namens W.W.W. Ich konnte nur hoffen, dass sich dahinter letzten Endes der moderne Name der KdF verbarg. Andererseits war es völlig unvorstellbar, dass ein so kluger Kopf wie Ley etwas entwickelt hatte, was klang wie ein Pimpf, der kälteschnatternd aus dem Schwimmbecken steigt.
    Ich weiß nicht mehr, wie ich in dieser Situation noch die Kraft zu einem eigenen Gedanken aufbringen konnte, allein – es durchzuckte mich eine Eingebung: Dieser organisierte Irrsinn war ein raffinierter Propagandatrick. Das Volk sollte offenkundig selbst angesichts furchtbarster Nachrichten den Mut nicht verlieren, weil die ewig laufenden Bänder beruhigend signalisierten, was der Sprecher gerade verlas, sei nicht so wichtig, als dass man sich nicht genauso gut für die Sportmitteilungen darunter entscheiden konnte. Ich nickte anerkennend. Mit dieser Technik hätte man zu meiner Zeit mancherlei dem Volke beiläufig vermitteln können. Vielleicht nicht unbedingt ein Stalingrad, aber doch, sagen wir, die Landung alliierter Truppen in Sizilien. Und dann würde man umgekehrt bei Erfolgen der eigenen Wehrmacht schlagartig die Textbänder entfernen und in die Stille hinein sagen: Heute haben heldenhafte deutsche Truppen dem Duce die Freiheit zurückgeschenkt!
    Das wäre ein Effekt!
    Um mich zu erholen, schaltete ich zurück zu ruhigeren Sendern, und aus einer gewissen Neugier heraus zu dem Kanal mit der dicken Frau. Ob sie wohl ihre heruntergekommene Tochter inzwischen in eine Verwahranstalt eingewiesen hatte? Wie mochte wohl der Ehegatte dieser Frau aussehen? War er einer dieser lauwarmen Gesellen, die sich so gerne im Nationalsozialistischen Kraftfahrer-Korps versteckten?
    Das Programm erkannte sofort meine Wiederkehr und begann eilfertig, das Geschehen für mich zusammenzufassen. Die 16-jährige Menndi, so erzählte die

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