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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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aus dem Topf rundheraus als »Drecksfraß« ablehnte. So unsympathisch einem der zerfledderte junge Mensch auch sein musste, so wenig wunderte einen ihr geringer Appetit angesichts der Gleichgültigkeit, mit der die dicke Mutter eine Schachtel öffnete und den Inhalt achtlos in dem Topfe versenkte. Man staunte sogar, dass die Mutter die Schachtel nicht auch noch mit hineingeworfen hatte. Ich schaltete kopfschüttelnd weiter, dorthin, wo ein nunmehr dritter Koch Fleisch klein schnitt und sich darüber ausließ, wie er das Messer hielt und warum. Auch ihm war eine junge blonde Fernsehangestellte zur Seite gegeben, die beeindruckt nickte. Entnervt schaltete ich den Apparat ab und fasste den Beschluss, nie wieder einen Blick hineinzuwerfen und stattdessen einen weiteren Versuch mit dem Radio zu wagen, als ich nach sorgsamem Durchsuchen des Raumes feststellen musste, dass es hier kein Radio gab.
    Wenn sich aber selbst in dieser bescheidenen Unterkunft kein Radio befand, sondern ausschließlich ein Fernsehgerät, dann war der Schluss unvermeidlich, dass der Fernsehapparat von beiden das wichtigere Medium geworden war.
    Ich setzte mich konsterniert auf das Bett.
    Ich gebe zu, ich war einstmals stolz gewesen, dass ich es in langem selbstständigem Studium so weit gebracht hatte, die jüdisch-verwinkelten Lügen der Presse mit blitzartiger Klarheit in jeglicher Verkleidung zu entlarven. Aber hier half mir meine Kunstfertigkeit nicht weiter. Hier gab es nur Kauderwelsch-Radio und Kochfernsehen. Welche Wahrheit sollte hier schon verheimlicht werden?
    Gab es Lügenrüben?
    Gab es Lügenlauch?
    Doch wenn dies das Medium der Zeit war – und daran bestand kein Zweifel –, dann blieb mir keine Wahl. Ich musste den Inhalt dieses Fernsehgeräts verstehen lernen, ich musste ihn in mich aufsaugen, selbst wenn er noch so geistig minderbemittelt und widerwärtig war wie das Schachtelessen der dicken Frau. Entschlossen stand ich auf, füllte mir an der Waschzeile eine Kanne mit Wasser, nahm mir ein Glas, trank einen Schluck und setzte mich so gewappnet vor das Gerät.
    Ich schaltete erneut ein.
    Im ersten Kanal hatte der Lauchkoch seine Zubereitungen inzwischen eingestellt, stattdessen äußerte sich ein Gärtner unter der Bewunderung einer nickenden Fernsehangestellten über Schnecken und deren bestmögliche Bekämpfung. Das war für die Volksernährung selbstverständlich von beträchtlicher Bedeutung, aber als Inhalt einer Fernsehübertragung? Vielleicht kam es mir auch deshalb so überflüssig vor, weil wenige Sekunden später nahezu wortgleich ein anderer Gärtner dasselbe verkündete, nun aber in einem anderen Kanal und anstelle des Rübenkochs. In mir wuchs daher eine gewisse Neugier, ob unterdessen möglicherweise auch die dicke Frau in den Garten gewechselt war, um dort statt ihrer Tochter die Schnecken zu bekämpfen. Dem war allerdings nicht so.
    Der Fernsehapparat hatte offenbar mitbekommen, dass ich zwischenzeitlich andere Programme betrachtet hatte, jedenfalls fasste ein Sprecher für mich das einstweilen Geschehene noch einmal zusammen. Menndi, so bilanzierte der Sprecher, hatte ihren Ausbildungsplatz verloren und mochte das Essen ihrer Mutter nicht verzehren. Die Mutter war unglücklich. Dazu wurden erneut jene Bilder gezeigt, die ich doch eine Viertelstunde zuvor selbst gesehen hatte.
    »Gut, gut!«, sagte ich laut, damit es der Fernsehapparat auch mitbekam, »aber so ausführlich müssen Sie es nicht machen, ich bin doch nicht senil.«
    Ich schaltete weiter. Hier tat sich inzwischen etwas Neues. Der Fleischkoch war verschwunden, auch kein Kleingärtner hielt Vorlesungen, sondern gezeigt wurden nun die Abenteuer eines Anwalts, offenbar eine Art Episodenreihe. Der Anwalt hatte einen Bart wie Buffalo Bill, und sämtliche Darsteller sprachen und bewegten sich, als wäre die Stummfilmära erst am Vortage beendet worden. Insgesamt war es eine sehr heitere Stümperei, bei der ich mehrfach laut lachen musste, auch wenn mir im Nachhinein nicht mehr ganz klar war, weshalb – vielleicht lag es einfach nur an der Erleichterung, dass einmal niemand kochte oder sich mit dem Schutz von Salatköpfen befasste.
    Ich schaltete weiter, nun schon fast routiniert, und kam zu weiteren Spielhandlungen. Sie schienen älter zu sein, die Bildqualität war stark schwankend, und sie zeigten Farmleben, Ärzte, Kriminalbeamte – in keiner dieser Darbietungen erreichten die Darsteller jedoch die bizarre Qualität des Buffalo-Bill-Anwalts. Das

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