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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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herumstanden. Ein etwas verwahrloster Geselle drehte sich lachend und mit vollem Munde zu mir um, hustete dann und lieferte einen brauchbaren Deutschen Gruß ab, während ich vorbeiging. Ich klappte den Gruß erwidernd den Arm zurück und ließ mich von Sawatzki zu jenem Bereich des Büffets lotsen, an dem der Sekt bereit stand, ein durchaus anspruchsvolles Produkt im Übrigen, wenn ich Sawatzkis Reaktion recht deutete, der einen Büffetgehilfen mit der Bereitstellung zweier Gläser beauftragte und dabei bemerkte, dass es jene Sorte Schaumwein ja nicht alle Tage gebe.
    »Der Wizgür kriegt ja auch nicht alle Tage so einen eingeschenkt«, sagte der Gehilfe.
    Sawatzki lachte und reichte mir mein Glas, erhob seines und sagte: »Auf Sie!«
    »Auf Deutschland!«, sagte ich. Dann stießen wir an und tranken.
    »Was ist«, fragte Sawatzki besorgt, »schmeckt er nicht?«
    »Wenn ich überhaupt Wein zu mir nehme, ist es üblicherweise eine Trockenbeerenauslese«, erklärte ich. »Ich weiß schon, diese herbe Note gehört dazu, gewiss, sie gilt hierbei sogar als vorteilhaft, aber mir ist das zu sauer.«
    »Ich kann Ihnen auch etwas anderes …«
    »Nein, nein, ich bin’s ja gewohnt.«
    »Aber Sie könnten einen Bellini nehmen.«
    »Bellini? Wie die Dame?«
    »Ja, sicher. Der könnte was für Sie sein. Warten Sie!«
    Während Sawatzki davonsprang, stand ich etwas unentschlossen herum, für einen Moment erinnerte mich all das an jene furchtbaren Augenblicke in den Jahren meiner politischen Anfänge, zu Beginn der Kampfzeit, als ich noch nicht in die Gesellschaft eingeführt war und mich dort oftmals noch ein wenig verloren fühlte. Allerdings dauerte diese unschöne Erinnerung wirklich nur den Bruchteil einer Sekunde, denn kaum hatte sich Sawatzki abgewandt, als eine junge brünette Dame auf mich zukam und sagte:
    »Das war total gut! Wie kommt man bloß auf so was wie die Hausmaus und die Feldmaus?«
    »Das können Sie auch«, sagte ich zuversichtlich. »Sie müssen nur mit offenen Augen durch die Natur gehen. Aber viele Deutsche haben leider heute verlernt, die einfachen Dinge zu sehen. Darf ich fragen, welche Ausbildung Sie genossen haben …«
    »Ich studiere noch«, sagte sie, »Sinologie, Theaterwissenschaften und …«
    »Um Gottes willen«, lachte ich, »hören Sie auf! Ein hübsches Mädel wie Sie und solch ein verkopfter Unfug! Suchen Sie sich lieber einen tapferen jungen Mann, und tun Sie etwas für die Erhaltung des deutschen Blutes!«
    Sie lachte sehr ansehnlich: »Das ist Messed Ekting, oder?«
    »Da ist er ja!«, rief hinter mir die Dame Bellini. Sie kam mit Sensenbrink und dem gequält lächelnden Wizgür im Schlepptau und gesellte sich zu uns. »Lasst uns anstoßen! Wir sind doch alle Profis hier. Und rein professionell muss man anerkennen: Das war eine Supersendung! So was hat es bisher nicht gegeben. Das wird die Erfolgskombination!«
    Sensenbrink verteilte eifrig Gläser mit Schaumwein, während Sawatzki zurückkehrte und mir ein Glas mit etwas Apricotfarbenem in die Hand drückte.
    »Was ist das?«
    »Probieren Sie ruhig«, sagte er und erhob sein Glas. »Meine Herrschaften: Auf den Führer!«
    »Auf den Führer!«
    Es gab ein allgemeines, wohlwollend-erfreutes Gelächter, und ich hatte alle Hände voll zu tun, die Glückwünsche abzuwehren. »Bitte, meine Herrschaften, vor uns liegt noch viel Arbeit!« Ich nahm vorsichtig einen Schluck des Getränks und nickte Herrn Sawatzki anerkennend zu. Es schmeckte sehr fruchtig, schmeichelte dem Gaumen und war doch nicht von übertriebenem Aufwand, im Wesentlichen schien es sich um ein einfaches Fruchtmus nach Bauernart zu handeln, das, wahrscheinlich durch einen kleinen Anteil an Schaumwein, noch etwas Lebendigkeit bekam, diese aber nur in einem ganz geringen Maße, sodass man nach dem Genuss kein übertriebenes Aufstoßen oder ähnliche Unannehmlichkeiten zu fürchten hatte. Die Bedeutung solcher Details ist nicht zu unterschätzen. Man muss in meiner Situation stets auf ein tadelloses Auftreten achten.
    Das Bedauerliche an solchen informellen, aber doch wichtigen Zusammenkünften ist, dass man sich nicht nach Belieben einfach zurückziehen kann, solange man nicht parallel einen Krieg zu führen hat. Wenn man gerade einen Sichelschnitt in Nordfrankreich führt, wenn man gerade Norwegen im Handstreich besetzt, da sind alle natürlich voller Verständnis, wenn man sich nach dem Erheben der Gläser in sein Arbeitszimmer absentiert, um die für den Endsieg nötigen

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