Er ist wieder da
Morgen die Kugel in seinem Kopf und den Kopf mit dem Gesicht nach unten in diesem Planschbecken. Und dann weiß auch wieder der Rest des Ladens, was passiert, wenn man in Badehosen der Truppe in den Rücken fällt.
Nein, derlei Badespäße kamen natürlich für mich nicht infrage.
»Wenn Ihnen das nicht passt, was wollen Sie denn stattdessen machen?«
Diese Frage stellte mir ein gewisser Ulf Bronner, ein Hilfsregisseur, vielleicht Mitte dreißig, ein auffallend schlecht gekleideter Mann. Er war nicht so schäbig gekleidet wie Kameramänner, die – wie ich seit meiner jüngsten Arbeit für und mit dem Rundfunk weiß – die am schäbigsten gekleideten berufstätigen Menschen der Welt sind, unterboten lediglich noch von Pressefotografen. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber meiner Erkenntnis nach tragen Pressefotografen oft jene Lumpen auf, die den Fernseh-Kameraleuten kürzlich vom Leib gefallen sind. Der Grund ist wohl, dass sie glauben, niemand sähe sie, weil sie die Kamera schließlich selbst in der Hand halten. Ich hingegen denke oftmals, wenn ich ein ungünstiges Bild von jemandem in einer Illustrierten entdecke, wie er das Gesicht verzieht oder dergleichen: Wer weiß, wie der Fotograf gerade wieder ausgesehen hat. Der Regisseursdarsteller Bronner nun war besser gekleidet, aber nicht viel besser.
»Ich behandle Tagespolitik«, sagte ich ihm, »und natürlich Fragen, die darüber hinausreichen.«
»Keine Ahnung, wo das witzig sein soll«, brummte Bronner. »Politik ist immer Scheiße. Aber bitte, ist ja nicht meine Sendung.«
Ich habe in den Jahren gelernt: Fanatischer Glaube an die gemeinsame Sache ist nicht immer erforderlich. Und in manchen Dingen sogar hinderlich. Ich habe schon Regisseure gesehen, die vor lauter Kunstwillen nicht in der Lage waren, einen verständlichen Film zu drehen. Da war mir die Gleichgültigkeit des Bronner letzten Endes sogar lieber, sie ließ mir immerhin weitgehend freie Hand, wenn ich die erbärmlichen Leistungen der demokratisch gewählten Politrepräsentanten anzuprangern gedachte. Und da man die Dinge stets vereinfachen soll, wenn es denn möglich ist, wählte ich sogleich das nächstliegende Thema, im Wortsinne. Als Erstes stellte ich mich des Vormittags vor den Kindergarten neben der eigenwilligen Schule, an der ich inzwischen des Öfteren vorbeigelaufen war. Ich hatte schon mehrfach das unverantwortliche Verhalten der Autofahrer beobachtet, die dort mit erheblichem Tempo vorbeibrausten und bedenkenlos das Leben und die Gesundheit unserer Kinder aufs Spiel setzten. Ich plädierte zunächst in einer kurzen Ansprache heftig gegen jene Raserei, dann machten wir einige Aufnahmen dieser besinnungslosen Jugendmörder, die man später dazwischenmontieren konnte. Schließlich unterhielt ich mich mit den in großer Zahl vorbeilaufenden Müttern. Die Reaktionen waren erstaunlich. Die meisten fragten:
»Ist das hier die versteckte Kamera?«
Worauf ich zurückgab: »Keineswegs, gnädige Frau. Die Kamera ist ja hier, sehen Sie?« Dabei deutete ich auf das Aufnahmegerät und die Kameragenossen, ich tat es nachsichtig und geduldig, denn mit dem technischen Verständnis von Frauen ist das immer so eine Sache. Sobald dies geklärt war, wollte ich von der jeweiligen Dame wissen, ob sie üblicherweise in dieser Gegend verkehre.
»Dann sind Ihnen womöglich auch diese Autofahrer hier aufgefallen?«
»J-jaaa«, sagte sie gedehnt, »wieso …?«
»Würden Sie mir zustimmen, dass man angesichts des Verhaltens zahlreicher Autofahrer Angst haben muss um die Kinder, die hier spielen?«
»Ähm, schon, irgendwie, aber … sagen Sie, worauf wollen Sie hinaus?«
»Sprechen Sie Ihre Befürchtungen ganz frei heraus, Frau Volksgenossin!«
»Moment! Ich bin keine Volksgenossin! Aber wenn Sie schon fragen … Man ärgert sich da schon manchmal, wenn man mit den Kindern hier vorbeigeht …«
»Warum verhängt dann diese frei gewählte Regierung keine härteren Strafen gegen solche rücksichtslosen Raser?«
»Ich weiß nicht …«
»Wir werden das ändern! Für Deutschland. Sie und ich! Welche Strafen würden Sie fordern?«
»Welche Strafen ich fordere …?«
»Finden Sie, die bisherigen Strafen reichen aus?«
»Ich weiß nicht so genau …«
»Oder werden sie nicht streng genug durchgesetzt?«
»Nein, nein, ich – ich möchte das lieber nicht.«
»Wie? Und die Kinder?«
»Das ist … das ist alles schon so in Ordnung. So wie es ist. Ich bin ganz zufrieden!«
Das passierte
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