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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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fest, dass offenbar die schiere Attraktion einer Idee, einer Rede Hunderttausende zur Betrachtung und geistigen Auseinandersetzung zu bewegen vermochte. Eigentlich war das nur sehr schwer nachvollziehbar. Es war sogar schlichtweg unmöglich. Ich hatte eine leise Ahnung, wenn nicht sogar Befürchtung und rief daher sofort Sensenbrink an. Der war bester Laune.
    »Eben haben Sie die 700000 überschritten«, frohlockte er, »Wahnsinn! Haben Sie’s gesehen?«
    »Ja«, sagte ich, »aber Ihre Freude erscheint mir reichlich übertrieben. Das kann sich für Sie doch überhaupt nicht mehr rechnen!«
    »Wie? Was? Sie sind Gold wert, mein Lieber! Das ist erst der Anfang, glauben Sie mir.«
    »Trotzdem müssen Sie die Leute alle bezahlen!«
    »Welche Leute?«
    »Ich war ja eine Zeit lang selbst Propagandabeauftragter. Und ich weiß: Um 700000 Leute auf seine Seite zu ziehen – da braucht man doch zehntausend Mann. Wenn sie fanatisch sind.«
    »Zehntausend Mann? Was für zehntausend Mann?«
    »Zehntausend Mann SA , theoretisch. Und das ist noch vorsichtig geschätzt. Aber eine SA haben Sie ja wohl noch nicht, oder? Also werden Sie wohl mindestens fünfzehntausend brauchen.«
    »Sie sind vielleicht ein Vogel«, dröhnte Sensenbrink in bester Stimmung. Ich war nicht sicher, ob ich im Hintergrund ein Gläserklirren hörte. »Passen Sie auf, eines Tages nimmt Sie noch einer ernst!« Und damit legte er auf.
    Das schien somit geklärt. Offenbar hatte Sensenbrink wirklich nichts damit zu tun. Diese Zustimmung schien aus dem Volk selbst zu kommen. Es konnte natürlich noch sein, dass Sensenbrink ein hemmungsloser Lügner war, ein Blender, diese Zweifel blieben, das ist eben das Ärgerliche mit Leuten, die man sich nicht selbst ausgesucht hat. Aber insgesamt schien er mir bei solchen Themen glaubwürdig. Also machte ich mich an die Produktion des nötig gewordenen Zusatzmaterials.
    Wie immer, wenn Menschen kreativ überfordert sind, kommen sie mit den fragwürdigsten Vorschlägen. Ich sollte bizarre Reportagen drehen, etwas wie »Der Führer besucht die Sparkasse« oder »Der Führer im Schwimmbad«. Ich lehnte derlei vollendeten Schmarren kurzerhand ab. Politiker beim Sport, das ist fast immer eine Zumutung für die Bevölkerung. Ich habe meine Betätigung hierin dann auch direkt nach der Machtergreifung eingestellt. Ein Fußballspieler, ein Tänzer, die können das, das sehen die Leute jeden Tag in Vollendung, das kann sogar große Kunst sein. In der Leichtathletik etwa, ein vollendeter Speerwurf, das ist etwas Herrliches. Aber man denke sich, dann käme jemand wie Göring oder diese Kanzlermatrone, die ihm wie aus dem Gewicht geschnitten ist. Wer will das sehen? Das kann keine guten Bilder geben.
    Sicher, da gibt es dann einige, die sagen: Sie soll sich dem Volke als dynamisch präsentieren, dazu muss sie nicht Springreiten oder rhythmische Sportgymnastik vollführen, aber so etwas Harmloses wie das Golfspiel, heißt es dann gerade in konservativen anglophilen Kreisen, das wäre doch bestimmt machbar. Aber wer einmal einen guten Golfspieler gesehen hat, der will mit Sicherheit nicht das Herumgestocher einer unförmigen Wachtel beobachten. Und was sollten da die anderen Staatsmänner sagen? Vormittags folgt sie mühsam den Zusammenhängen der Wirtschaftspolitik, nachmittags ist sie auf dem Golfplatze und prügelt dort unkoordiniert auf den Rasen ein. Und in Badehosen, das ist ohnehin das allergrößte Unding. Man konnte das Mussolini schon nicht ausreden. In jüngster Zeit macht das auch dieser fragwürdige leitende russische Staatslenker, ein interessanter Mann, zweifellos, aber dennoch ist es für mich eine ausgemachte Sache: Sobald ein Politiker das Hemd ablegt, ist seine Politik am Ende. Damit sagt er nichts anderes als: »Seht her, liebe Volksgenossen, ich habe eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Meine Politik ist ohne Hemd besser.«
    Was soll das für eine unsinnige Aussage sein?
    Ich habe im Übrigen gelesen, dass unlängst sogar ein deutscher Kriegsminister sich in einem Schwimmbecken mit einem Frauenzimmer fotografiert haben lassen soll. Während die Truppe im Felde stand oder wenigstens doch kurz davor. Der Mann wäre bei mir keinen Tag mehr im Amt gewesen. Auf ein Rücktrittsgesuch hätte ich da verzichtet, man legt ihm eine Pistole auf den Schreibtisch, eine Kugel im Lauf, man verlässt den Raum, und wenn der Saukerl noch einen Funken Anstand hat, dann weiß er, was er zu tun hat. Und wenn nicht, findet man am nächsten

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