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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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hält hier nur dieses Brillenwürstchen die Stellung? Sie kommen sofort hierher und geben mir Rechenschaft! Sofort.«
    »Wer ist denn da überhaupt?«, sagte der Lautsprecher. »Sind Sie dieser Irre von Youtube?«
    Ich gebe zu, dass bestimmte Vorgänge der jüngeren Vergangenheit für den normalen kleinen Mann auf der Straße unter Umständen nicht ganz einfach nachzuvollziehen sind. Allerdings muss hier mit zweierlei Maß gemessen werden: Wer eine nationale Bewegung anführen möchte, muss auch auf die unvorhersehbarsten Wendungen des Schicksals reagieren können. Und wenn dann das Schicksal bei ihm an die Türe klopft, hat er nicht zu fragen: »Sind Sie der Irre von Youtube?«
    »Nun«, sagte ich, »ich nehme nicht an, dass Sie mein Buch gelesen haben.«
    »Dazu äußere ich mich nicht«, sagte der Lautsprecher, »und jetzt verlassen Sie sofort die Geschäftsstelle, oder ich lasse Sie rausschmeißen.«
    Ich lachte.
    »Ich bin in Frankreich einmarschiert«, sagte ich, »ich bin in Polen einmarschiert. Ich bin in Holland einmarschiert und in Belgien. Ich habe die Russen zu Hunderttausenden eingekesselt, bevor die auch nur Piep sagen konnten. Und jetzt bin ich in Ihrer sogenannten Geschäftsstelle. Und wenn Sie auch nur den Hauch einer wahrhaft nationalen Gesinnung besitzen, dann kommen Sie hierher und stehen mir Rede und Antwort über die Art und Weise, in der Sie das völkische Erbe verschleudern!«
    »Ich lasse Sie …«
    »Sie wollen den Führer des Großdeutschen Reiches gewaltsam entfernen lassen?«, fragte ich ruhig.
    »Sie sind ja nicht der Führer.«
    Aus nicht ganz verständlichen Gründen ballte der Hilfsregisseur Bronner in diesem Augenblick seine Faust und grinste extrem breit.
    »Das heißt natürlich: Hitler«, sagte stockend der Lautsprecher. »Sie sind nicht Hitler.«
    »Soso«, sagte ich ruhig, extrem ruhig, so ruhig, dass Bormann schon Schutzhelme ausgegeben hätte. »Wenn aber«, fuhr ich sehr höflich fort, »wenn ich es aber wäre, so hätte ich dann wohl die Ehre, mit Ihrer bedingungslosen Gefolgstreue zur nationalsozialistischen Bewegung rechnen zu dürfen?«
    »Ich …«
    »Ich erwarte sofort den zuständigen Reichsleiter. Sofort!«
    »Der kann gerade nicht …«
    »Ich habe Zeit«, sagte ich ihm, »jedes Mal, wenn ich einen Blick in den Kalender werfe, stelle ich es von Neuem fest: Ich habe erstaunlich viel Zeit.« Dann legte ich auf.
    Das Jüngelchen sah mich verwirrt an.
    »Det meinen Se aber nich ernst, oder?«, fragte der Kameramann besorgt.
    »Wie bitte?«
    »Ick hab jarnicht erstaunlich viel Zeit. Ick mach um vier Feierabend.«
    »Schon gut, schon gut«, beschwichtigte Bronner, »wir holen notfalls eine Ablösung. Das wird richtig gut hier!« Er holte seinen tragbaren Telefonapparat aus der Tasche und machte sich ans Organisieren.
    Ich setzte mich auf einen der freien Stühle. »Haben Sie vielleicht etwas zu lesen da?«, fragte ich das Jüngelchen.
    »Ich … ich seh mal nach, Herr …«
    »Hitler ist der Name«, sagte ich sachlich. »Ich muss schon sagen: Das letzte Mal, als ich mich derart mühsam vorstellen musste, befand ich mich in einer türkisch geführten Reinigung. Sind diese Anatolier irgendwie mit Ihnen verwandt?«
    »Nein, es ist nur – wir …«, faselte das Jüngelchen.
    »Nun ja. Ich sehe in dieser Partei keine große Zukunft für Sie!«
    Das Telefon läutete und unterbrach die Lektüresuche des Jüngelchens. Er hob den Hörer ab und nahm beinahe so etwas wie Haltung an.
    »Ja«, sagte er in den Hörer, »jawohl, der ist noch hier.« Dann wandte er sich an mich: »Der Bundesvorsitzende für Sie.«
    »Ich bin nicht zu sprechen. Die Zeit der Telefonate ist abgelaufen. Ich will den Mann sehen.«
    Das dürre Jüngelchen sah schwitzend nicht besser aus. Eine unserer Napolas schien das Büblein genauso wenig besucht zu haben wie eine Wehrsportübung oder generell jemals einen Sportverein. Dass die Partei derartige rassische Ausschussware nicht gleich beim Aufnahmeverfahren unnachgiebig aussiebte, war einem auch nur halbwegs geistig gesunden Menschen nicht nachvollziehbar. Das Jüngelchen wisperte etwas in den Telefonhörer. Dann legte es auf.
    »Der Herr Bundesvorsitzende bittet um etwas Geduld«, sagte das Büblein, »aber er wird so schnell wie möglich kommen. Das hier ist doch für MyTV , oder?«
    »Das hier ist für Deutschland«, korrigierte ich.
    »Kann ich Ihnen in der Zwischenzeit vielleicht ein Getränk anbieten?«
    »Sie können sich in der Zwischenzeit

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