Er ist wieder da
fortzuführen. Ich war derart empört über diese erbarmungswürdige Propagandaarbeit, dass ich mir den Hilfsregisseur Bronner samt einem Kameramann organisierte und nach Berlin-Köpenick hinfuhr, wo unter dem Namen NPD die größte derartige Vereinigung residierte. Ich muss schon sagen: Ich hätte mich vor Ort am liebsten gleich übergeben.
Ich gebe zu, das Braune Haus in München war nicht weltbewegend gewesen, aber doch auf jeden Fall seriös, repräsentativ. Oder wenn ich an Paul Troosts Verwaltungsbau denke, nur einen Steinwurf entfernt, also das war ein Haus, für das wäre ich sofort in jede Partei eingetreten. Aber diese schneebedeckte Bruchbude in Berlin-Köpenick – erbärmlich.
Das armselige Häuslein stand frierend in einer Baulücke zwischen zwei Mietsgebäuden wie ein Kinderfuß in den zu großen Pantoffeln des Vaters. Schon allein das Gebäude sah hoffnungslos überfordert aus, was auch daher rühren mochte, dass irgendein Holzkopf auf die Idee gekommen war, der furchtbaren Klitsche einen Namen zu geben und ihn in großen, obendrein zeitlos hässlichen Buchstaben auf die Fassade zu schrauben: »Carl-Arthur Bühring-Haus« stand darauf, es wirkte insgesamt, als hätte man einen Kinderschwimmring auf den Namen »Herzog von Friedland« getauft. » NPD -Parteizentrale« stand auf dem Klingelschild, so klein, dass man es Feigheit vor dem Feinde nennen musste. Es war unglaublich, es war wie in der Systemzeit: Der völkische Gedanke, die nationale Sache wurde erneut durch irgendwelche Hohlköpfe entehrt, entwertet, lächerlich gemacht. Ich drückte wutentbrannt auf die Klingel, und als sich nicht rasch genug etwas tat, drosch ich mehrfach mit der Faust dagegen. Die Tür öffnete sich.
»Sie wünschen?«, fragte ein pickeliges Jüngelchen mit einem irritierten Gesichtsausdruck.
»Was glauben Sie wohl?«, fragte ich kalt.
»Haben Sie eine Drehgenehmigung?«
»Was ist denn das für ein grauenhaftes Gewinsel?«, herrschte ich ihn an. »Seit wann versteckt sich eine nationale Bewegung hinter derlei welschen Winkelzügen!« Ich drückte die Tür energisch auf. »Gehen Sie mir aus dem Weg! Sie sind eine einzige Schande für das deutsche Volk! Wo ist Ihr Vorgesetzter?«
»Ich – Moment – warten Sie – ich hole jemanden …«
Das Jüngelchen verschwand und ließ uns in einer Art Empfangsraum zurück. Ich sah mich um. Das Haus hätte einen Anstrich brauchen können, es roch nach kaltem Rauch. Einige Parteiprogramme lagen herum, mit idiotischen Slogans. »›Gas geben‹« stand auf einem, in Anführungszeichen, als solle man in Wirklichkeit gar kein Gas geben. »Millionen Fremde kosten uns Milliarden« stand auf einem Aufkleber – wer dann die Patronen und Granaten für die Truppe fertigen sollte, wer dann für die Landser die Bunker ausheben würde, stand da natürlich auch nicht. Das Jüngelchen jedenfalls, das ich gesehen hatte, wäre an der Schaufel genauso wenig zu gebrauchen gewesen wie im Felde.
Ich habe mich in meinem Leben noch nie derart für eine nationale Partei geschämt. Bei dem Gedanken, dass all dieses die Kamera filmte, musste ich mich zusammenreißen, damit mir keine Tränen der Wut aus den Augen rannen. Für dieses Gesindel hatte sich Ulrich Graf nicht mit elf Kugeln zusammenschießen lassen, von Scheubner-Richter war damals nicht unter den Schüssen der Münchner Polizei gefallen, damit solche Lumpen in ihren verwahrlosten Buden mit dem Blut verdienter Männer Schindluder trieben. Ich hörte das Bübchen vom Nebenzimmer ratlos in einen Telefonapparat hineinstammeln. Die Kamera zeichnete alles auf, die ganze Unbeholfenheit, es war so bitter – aber es ging wohl nicht anders, als dass man einmal diese Jauchegrube ausmistete. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus, ich ging zornbebend in den Nebenraum.
»… hätte ihn ja auch abgewiesen, aber irgendwie … Er sieht aus wie Adolf Hitler, er hat die Uniform …«
Ich riss dem Bengel den Hörer aus der Hand und schrie hinein: »Welcher Versager führt diesen Laden?«
Es war erstaunlich, mit welcher Behendigkeit der sonst so träge Hilfsregisseur Bronner sich um den Tisch wand und mit unverhohlener Freude einen Knopf auf dem Telefon drückte. Tatsächlich konnte man nun die Antworten aus einem kleinen Lautsprecher am Apparate gut im Raum hören.
»Erlauben Sie mal«, sagte der Lautsprecher.
»Wenn ich etwas erlaube, werden Sie es schon mitbekommen!«, schrie ich. »Wieso ist hier kein Vorgesetzter in der Dienststelle? Wieso
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