Er ist wieder da
hinzunehmen, wenn derart über sie berichtet werde.
Einen weiteren Tag brauchten sie, um die Aussichtslosigkeit irgendwelcher Revisionen zu erkennen und um die Verkaufszahlen jener Sportleibchen, Aufkleber und Tassen mit dem Slogan zur Kenntnis zu nehmen. Irgendwelche jungen aufrechten Deutschen hielten sogar eine Mahnwache vor dem Verlagsgebäude, wenn auch in einer deutlich heitereren Stimmung, als ich sie unter diesem Begriffe für angemessen gehalten hätte.
Zwischenzeitlich konnte ich mich auch über mangelnde Resonanz in anderen Publikationen nicht mehr beschweren. Die Auseinandersetzung hatte mich anfangs noch vereinzelt in die Klatschseiten gebracht, nun begann ich, in die deutschen Kulturteile vorzudringen. Noch vor sechzig Jahren hätte ich nicht den geringsten Wert darauf gelegt, unter all jenen unattraktiven und unverständlichen Kopfgeburten einer vorgeblichen »Kultur« beschwätzt zu werden. Doch zwischenzeitlich war eine Bewegung entstanden, nach der neuerdings so gut wie alles als Kultur gelten kann oder auch zu einer solchen erhoben wird. Von daher ließ sich das Erscheinen auf diesen Seiten als Teil eines Transformationsprozesses begrüßen, der mir über das Normalmaß politischer Rundfunkunterhaltung hinaus das Gütesiegel politischer Seriosität verlieh. Das völlig vergeistigte Kauderwelsch der Texte freilich war in den letzten sechzig Jahren das Gleiche geblieben, man konnte offenbar davon ausgehen, dass auch heute noch die Leserschaft nur das für anspruchsvoll erachtete, was ihr möglichst unverständlich blieb, und sich das Wesentliche aus dem erkennbar positiven Grundton mittels Vermutung erschloss.
Am positiven Grundton war nicht zu zweifeln. Die »Süddeutsche Zeitung« lobte die »geradezu potemkinhafte Retrospektive«, die hinter einer »Scheinspiegelung neofaschistischer Monostrukturen die Vehemenz eines leidenschaftlichen Plädoyers für pluralistische beziehungsweise basisdemokratische Prozessvarianten« vermuten ließ. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« begrüßte die »stupende Aufbereitung systemimmanenter Paradoxa im Schafspelz des nationalistischen Wolfs«. Und der Wortspielbetrieb von »Spiegel Online« nannte mich den »fremden Führer«, was zweifellos wohlwollend gemeint war.
Am dritten Tage, so erfuhr ich später, kam der Anruf der »Bild«-Verlegerswitwe beim Schriftleiter an. Der Inhalt ging etwa in die Richtung, wie lange der Schriftleiter die Schändung des Andenkens des seligen Verlegers noch hinzunehmen gedenke und dass ihr diese Zeitspanne zu lange sei und der Spuk ab dem folgenden Tag zu enden habe.
Wie er das hinbekomme, sei seine Sache.
Als ich des früheren Nachmittags in mein Büro kam, sah ich schon aus der Ferne Sawatzki über die Flure springen. Er ballte in einer etwas pubertären Geste unablässig die Faust und schrie »Yes! Yes! Yes!«. Ich fand die Form nicht ganz angemessen, konnte seine Begeisterung jedoch nachvollziehen. Die Kapitulation war praktisch bedingungslos. Die Verhandlungen, die die Dame Bellini persönlich in ständiger Rücksprache mit mir führte, ergaben zunächst eine mehrtägige Pause in der Berichterstattung, innerhalb derer ich jedoch zweimal auf der Titelseite unter irgendeiner Begründung als »Aufsteiger« oder »Gewinner« des Tages gelobt werden sollte. Nach jedem Schritt würden wir im Gegenzug einen Artikel als »nicht mehr lieferbar« vom Markte nehmen.
Pünktlich zur nächsten Sendung schickte die Zeitung dann ihren besten Schmierfinken, einen immens saugfähigen Speichellecker namens Robert oder Herbert Körzdörfer, der seine Aufgabe jedoch zugegebenermaßen tadellos erfüllte, indem er mich zum gewitztesten Deutschen seit einem Herrn Loriot ernannte. Ich las, dass ich hinter der Maske des Naziführers kluge Gedanken äußern würde und ein wahrer Volksvertreter sei. Aus den erneuten und unermüdlichen Sprüngen des Herrn Sawatzki ersah ich, dass das ein durchaus gutes Ergebnis war.
Das Beste jedoch war, dass ich der Zeitung auftrug, mir einen kleinen Gefallen zu tun und einige Kontakte spielen zu lassen. Diese Idee stammte ausnahmsweise von Sensenbrink, der kurz zuvor am Ende seiner Weisheit gewesen war. Vierzehn Tage später erschien eine zu Tränen rührende Geschichte über das bittere Schicksal meiner amtlichen Unterlagen, die in irgendeinem Feuersturme untergegangen waren, und weitere vierzehn Tage darauf hielt ich einen Pass in der Hand. Ich weiß nicht, über welche rechtlichen oder widerrechtlichen
Weitere Kostenlose Bücher