Er ist wieder da
richtig süß! Aber sagen Sie ihm det nich, det ick det jesacht hab!«
Ich versicherte ihr, dass sie auf meine Verschwiegenheit zählen könne.
»Und Sie«, fragte sie dann fast ein wenig besorgt, »sind Se nervös?«
»Warum sollte ich?«
»Det is so unglaublich«, sagte sie. »Ick hab ja schon einije von diesen Fernsehtypen jesehn, aber Sie sind wirklich der Coolste.«
»In diesem Beruf muss man Eiswasser in den Adern haben«, sagte ich.
»Geben Sie’s ihnen«, sagte sie fest.
»Werden Sie es sich ansehen?«
»Ick bin gleich hinter der Kulisse«, sagte sie stolz. »Ick hab ooch schon eins von den T-Shirts, meen Führa.« Und noch bevor ich etwas sagen konnte, öffnete sie schwungvoll den Reißverschluss ihres schwarzen Jäckchens und zeigte mir stolz das Hemd.
»Ich muss doch sehr bitten!«, sagte ich scharf, und als sie rasch wieder die Jacke schloss, fügte ich noch etwas milder hinzu: »Dass Sie mal was tragen, das nicht schwarz ist …«
»Allet nur für Sie, meen Führa!«
Ich machte mich auf den Weg, ließ mich mit dem Fahrdienst zum Studio bringen, wo schon Jenny wartete und mich mit einem lauten »Hallo, Onkel Ralf!« begrüßte. Ich hatte es inzwischen aufgegeben, sie zu korrigieren, auch weil ich wohl mit ziemlicher Sicherheit annehmen konnte, dass sie sich einen kleinen Dauerscherz daraus machte. Ich war in den letzten Wochen schon Onkel Ulf gewesen, dazu noch Onkel Golf, Onkel Schilf und Onkel Torf. Ich war nicht sicher, ob ich auf ihre Zuverlässigkeit zählen konnte, wenn es hart auf hart kam, langfristig allerdings würde ihre Leichtfertigkeit mit Sicherheit die Moral untergraben – insofern hatte ich sie intern schon einmal vorgemerkt. Wenn derlei nach der ersten Verhaftungswelle nicht aufhören würde, sah ich sie bislang direkt für die zweite Welle vor. Einstweilen ließ ich mir natürlich nichts anmerken, als sie mich zu meiner Garderobe geleitete, wo bereits Frau Elke wartete.
»Räumt den Puder weg, Herr Hitler kommt«, lachte sie. »Heute ist der große Tag, wie ich höre?«
»Es kommt darauf an, für wen«, sagte ich und setzte mich.
»Wir vertrauen auf Sie.«
»›Unsere letzte Hoffnung – Hitler‹«, sagte ich versonnen. »Wie früher auf den Plakaten …«
»Das ist jetzt aber ein bisschen sehr dick aufgetragen«, meinte sie.
»Dann nehmen Sie wieder was weg«, mahnte ich besorgt, »ich will doch nicht aussehen wie ein Kasperl.«
»Ich meinte – ach, vergessen Sie’s. Bei Ihnen braucht’s ja nicht viel. Der Mann mit der Traumhaut. Gehen Sie raus und zeigen Sie denen, wo der Hammer hängt.«
Ich begab mich hinter die Kulissen, um abzuwarten, bis Wizgür mich ankündigte. Er tat es mit immer größerem Widerwillen, aber man musste anerkennen, dass man diesen Widerwillen als Außenstehender nicht erkennen konnte.
»Meine Damen und Herren: Zum multikulturellen Ausgleich sehen Sie jetzt Deutschland aus Sicht eines Deutschen – Adolf Hitler.«
Begeisternder Applaus begrüßte mich. Die Auftritte waren mit jeder Sendung einfacher geworden. Es hatte sich eine Art Ritual entwickelt, wie früher im Sportpalast. Grenzenloser Jubel, den ich mit tödlichem Ernst in minutenlangem Schweigen zu absoluter Stille niederrang. Erst dann, in diesem Spannungsfeld zwischen Erwartung der Menge und eisernem Willen des Einzelnen, erhob ich das Wort.
»Ich habe in letzter Zeit …
mehrfach …
Dinge über mich…
in der Zeitung …
lesen.
Müssen.
Ich bin das ja gewohnt.
Von der liberalen Lügenpresse.
Aber neuerdings auch in einem Blatte
das jüngst über die Griechen
einige sehr zutreffende Äußerungen getan hat.
Oder über bestimmte Türken.
Und Faulenzer.
Nun wurde ich in jenem Blatte kritisiert
für einige Äußerungen, die …
in dieselbe Richtung gingen.
Da wurden dann ›Fragen‹ aufgeworfen,
etwa die Frage, wer ich überhaupt sei.
Um nur mal die dümmste zu nennen.
Es war dies Grund genug, dass ich begann, mich zu fragen:
Was ist das für eine Zeitung?
Was ist das für ein Blatt?
Ich habe meine Mitarbeiter gefragt.
Meine Mitarbeiter kennen es,
aber sie lesen es nicht.
Ich habe Menschen auf der Straße gefragt.
Kennen Sie dieses Blatt?
Sie kennen es,
aber sie lesen es nicht.
Niemand liest dieses Blatt.
Aber Millionen Menschen kaufen es.
Nun weiß niemand besser als ich:
Für eine Zeitung gibt es kein höheres Lob als dieses.
Man kennt das Prinzip ja.
Vom ›Völkischen Beobachter‹.«
Hier gab es das erste Mal stürmische
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