Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
Völkern im Land schließen müssen. Noch einmal, genau das habe ich getan und genau das kann ich.« Dann wurde Nasuadas Stimme sanfter, obwohl ihre Miene so entschlossen blieb wie bisher. »Orrin, warum wollt Ihr diesen Thron? Würde er Euch glücklicher machen?«
»Das ist keine Frage des Glücks«, knurrte er.
»Doch, zumindest teilweise. Wollt Ihr wirklich neben Surda das ganze Imperium regieren? Wer immer den Thron besteigt, vor dem werden gewaltige Aufgaben liegen. Es gilt ein Land wieder aufzubauen: Bündnisverträge auszuhandeln, noch immer einige Städte zu erobern, Adlige und Magier zu unterwerfen. Es wird ein ganzes Leben dauern, den Schaden, den Galbatorix angerichtet hat, auch nur ansatzweise zu beheben. Wollt Ihr diese Aufgabe wirklich auf Euch nehmen? Mir scheint, Ihr hättet lieber Euer früheres Leben zurück.« Ihr Blick wanderte zu dem Kelch auf seinem Bein und dann zurück zu seinem Gesicht. »Wenn Ihr mein Angebot annehmt, könnt Ihr nach Aberon und zu Euren naturkundlichen Forschungen zurückkehren. Würde Euch das nicht gefallen? Surda wird größer und reicher sein und Ihr werdet die Freiheit haben, Euren Interessen nachzugehen.«
»Wir können nicht immer unseren Interessen folgen. Manchmal müssen wir tun, was richtig ist, nicht das, was wir wollen«, widersprach König Orrin.
»Richtig, aber …«
»Abgesehen davon, wenn ich König in Urû’baen wäre, könnte ich meinen Interessen hier genauso gut nachgehen wie in Aberon.« Nasuada runzelte die Stirn, doch bevor sie etwas sagen konnte, fuhr Orrin fort: »Ihr versteht nicht …« Er runzelte die Stirn und nahm noch einen Schluck Wein.
Dann erklärt es uns, sagte Saphira, deren Ungeduld sich in der Farbe ihrer Gedanken widerspiegelte.
Orrin schnaubte, leerte seinen Kelch und warf ihn gegen die Tür. Das Gold bekam eine Delle und mehrere Juwelen sprangen aus ihren Fassungen und rollten über den Boden. »Das kann ich nicht«, knurrte er, »und ich habe auch keine Lust, es zu versuchen.« Er sah sich mit funkelnden Augen im Raum um. »Keiner von Euch würde es verstehen. Ihr nehmt Euch alle selbst viel zu wichtig. Wie könntet Ihr es verstehen? Schließlich habt Ihr nie erlebt, was ich erlebt habe.« Er sank in seinen Sessel zurück und seine Augen waren dunkel wie erloschene Kohlen unter seinen Brauen. An Nasuada gewandt, fügte er hinzu: »Ihr seid entschlossen? Ihr werdet euren Anspruch nicht zurückziehen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Und wenn ich mich dafür entscheide, meinen eigenen Anspruch zu verfolgen?«
»Dann wird es zum Kampf kommen.«
»Und Ihr drei werdet Euch auf ihre Seite stellen?«, fragte Orrin und sah nacheinander Arya, Orik und Grimrr an.
»Wenn die Varden angegriffen werden, kämpfen wir an ihrer Seite«, erwiderte Orik.
»Wir ebenfalls«, stellte Arya fest.
König Orrin lächelte ein Lächeln, das mehr ein Zähneblecken war. »Aber Ihr würdet nicht auf die Idee kommen, uns vorzuschreiben, wen wir zu unserem Herrscher wählen sollten, nicht wahr?«
»Natürlich nicht«, bestätigte Orik und seine eigenen Zähne blitzten in seinem Bart weiß und gefährlich auf.
»Natürlich nicht.« Dann richtete Orrin seine Aufmerksamkeit wieder auf Nasuada. »Ich will Belatona, zusätzlich zu den anderen Städten, die Ihr genannt habt.«
Nasuada dachte einen Moment nach. »Ihr gewinnt mit Feinster und Aroughs bereits zwei Hafenstädte, drei, wenn Ihr Eoam auf der Insel Beirland mitrechnet. Ich werde Euch stattdessen Furnost geben, dann habt Ihr den ganzen Tüdosten, während ich den ganzen Leona-See haben werde.«
»Der Leona-See ist wertvoller als der Tüdosten, weil er Zugang zu den Bergen und der nördlichen Küste bietet«, bemerkte Orrin.
»Stimmt. Aber Ihr habt bereits von Dauth und dem Jiet Zugang zum Leona-See.«
König Orrin starrte auf den Boden in der Mitte des Raums und schwieg. Draußen verschwand der letzte Rand der Sonne unter dem Horizont; nur ein paar nahe Wolken erstrahlten noch in ihrem Licht. Der Himmel wurde dunkler und die ersten Sterne erschienen in der Abenddämmerung: feine Stecknadelköpfe in der purpurnen Unendlichkeit. Eine leichte Brise kam auf, und als sie am Turm entlangstrich, hörte es sich für Eragon an wie das Rascheln der gezahnten Nesseln am Ramr.
Je länger sie warteten, umso wahrscheinlicher erschien es Eragon, dass Orrin Nasuadas Angebot ablehnen oder die ganze Nacht dasitzen und schweigen würde.
Der König rutschte auf dem Stuhl herum, dann blickte er endlich auf.
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