Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Ansammlung von Hütten und kleineren Häusern. Die Gebäude erinnerten sie an alte Fachwerkhäuser von der Erde. In der Mitte erkannte sie sogar etwas, was einer Kirche glich. Alle Gebäude waren in der Nähe des Meeres errichtet und teilweise mit Holzstegen verbunden. Drei offenbar sehr stabil gebaute Stege, die auch breiter als die anderen waren, ragten weit ins Wasser hinaus. Dort lagen eine Handvoll kleinere Fischerboote und zwei größere Schiffe, die wohl zum Transfer der Verbannten zum dunklen Kontinent dienten. Nein, Mina berichtigte sich. Eines der größeren Boote wirkte fremdartiger. Es war aus tiefschwarzem Holz gefertigt und über und über mit merkwürdigen Runen versehen, die leicht in der anbrechenden Dunkelheit aufglühten. Auch die Form des Schiffs war ungewöhnlich. Es war sehr flach, dafür aber doppelt so lang wie das andere, wodurch es einen schnittigen Eindruck machte.
Nirvan erkannte, wohin ihr Augenmerk gefallen war. »Das ist das Schiff, mit dem wir gelandet sind. Es wurde auf dem dunklen Kontinent erbaut.«
Mina bekam eine Gänsehaut. »Und was ist mit den Bewohnern des Hafens passiert? Wo sind sie alle?«
Nirvan wirkte bedrückt. »Ich … es lag nicht in meiner Macht, es zu verhindern, Mina.«
Sie ahnte Schreckliches und schloss die Augen.
»Ignis befahl, alle Bewohner zusammenzutreiben. Sie wollte kein Risiko eingehen, dass jemand fliehen und unsere Ankunft verraten könnte. Die Hafenstadt Laguz liegt nur wenige Tagesmärsche entfernt, und dort gibt es genügend Soldaten, um uns aufzuhalten.«
»Also hat sie die Leute einfach umbringen lassen?«
»Nein, so weit ist Ignis nicht gegangen. Die Bewohner wurden alle in die Kirche getrieben und dort in einem geräumigen Keller eingesperrt. Ignis hat ein paar Wachen zurückgelassen, die dafür sorgen sollten, dass sie nicht verhungerten oder verdursteten. Die Wachen sollten auch Ignis` Rückkehr absichern. Keiner sollte in der Zeit ihrer Abwesenheit den Hafen betreten.«
Kurz dachte Mina darüber nach, wie es den unschuldig Gefangenen ergangen sein mochte, wochenlang ohne Sonnenlicht, frische Luft und möglicherweise mit schlechter Ernährung. Aber sie konnte ihnen im Moment nicht helfen. Sie versuchte, sich auf die vor ihr liegende Aufgabe zu konzentrieren.
»Gut, nach deinen Worten haben wir einen vierzigtägigen Fußmarsch innerhalb weniger Minuten zurückgelegt. Das heißt, dass wir Ignis und ihren flüchtigen Männern weit voraus sind.« Sie schaute sich die Häuser genauer an. Jetzt sah sie zwischen den Schatten der Gebäude schemenhafte Gestalten. »Sind das die Wachen, die Ignis zurückgelassen hat?«, fragte sie.
Nirvan betrachtete sich die Personen genau, zuckte dann aber mit den Schultern.
Mina reichte das nicht. »Wieso können sich über eine so lange Zeit hinaus hier überhaupt feindliche Krieger aufhalten?«
»Offensichtlich hat niemand unseren Einfall in den Hafen bemerkt. Aber du solltest auch die Möglichkeit bedenken, dass die Krieger dort unten nicht die sind, die zurückgelassen wurden, sondern jene, mit denen Ignis selbst schon wieder hierher zurückgekehrt ist.«
»Wie meinst du das?«
»So, wie ich einen Reisezauber angewandt habe, kann es auch Ignis getan haben. Bei der Hinreise ging das nicht, es waren zu viele Krieger. Je mehr Personen transportiert werden müssen, desto mehr Kraft fordert der Zauber. Aber auf dem Rückweg hatte sie nur fünf Männer, die sie hätte mitnehmen müssen – falls sie sie nicht anderweitig entsorgt hat.«
Mina wirkte verdattert. »Du glaubst wirklich, sie ist hier?«
»Ich weiß es nicht, wir dürfen es aber nicht ausschließen. Ignis hätte ungestört zurückkehren können.«
»Aber wenn dem so wäre, warum sollten sie dann noch hier sein? Ihr Schiff liegt im Hafen bereit, und die Fahrt auf den dunklen Kontinent kann ja sicherlich nicht lange dauern. Ich sehe die Küste sogar von hier aus.« Sie zeigte nach links. Tatsächlich zeichnete sich dort eine schwarze Küstenlinie am stets dunkler werdenden Horizont ab. Den göttlichen Schutzschild konnte man mit dem bloßen Auge nicht erkennen.
»Nehmen wir an, sie ist auch erst heute spät nachtmittags angekommen. Dann wäre es zu gefährlich gewesen, direkt aufzubrechen«, erklärte Nirvan. »Dunkelheit macht die Navigation schwieriger. Es gibt hier Untiefen, die man höchstens bei Tageslicht erahnen kann. Abgesehen davon hat sie vielleicht noch nicht entschieden, wie mit den gefangenen Bewohnern zu verfahren ist.« Kurz
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