Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Doch derjenige, der in der Tür stand, kochte förmlich vor Wut und würde sich mit einem netten Gesichtsausdruck nicht besänftigen lassen.
»Was geht hier vor?« Salvatorus‘ Stimme ertönte wie ein Donnerschlag. Unwillkürlich zogen die Ratsmitglieder der devoteren Völker die Köpfe ein. Xsanthanis Augenlider flatterten Schmetterlingsflügeln gleich. Er räusperte sich und wollte antworten, doch Salvatorus ließ es nicht dazu kommen.
»Wir taten, wozu sonst jedem der Mut fehlte! Wir begleiteten Mina, die rechtmäßige Erbin des Regententhrons, bis zu den äußersten Ausläufern der Kette des Ohemes. Wir suchten das Unfindbare und fanden es doch! Wir fanden Lian, die erste und letzte Drachenmutter, die jemals auf Seiten der jungen Völker stand!«
Ein Stöhnen durchdrang den Saal. Ehrerbietiges Gemurmel begegnete Salvatorus. Viele Ratsmitglieder erwiderten seine Worte mit einem skeptischen Kopfschütteln.
»Oh, Ihr Ungläubigen! Wir fanden sie in einem unirdischen eisigen Schlaf, und Mina tat, was nur sie als wahre Drachentochter hatte tun können: Sie erweckte den Drachen!«
Erneut ertönten argwöhnische Rufe, gemischt mit hoffnungsvollen Zitaten aus Gebeten.
»Lian lebt? Und sie wird kommen und uns unterstützen?«, fragte eine Frau von der Größe und Statur einer Gnomin. Salvatorus nickte, doch es lag etwas Zögerliches in seiner Bewegung.
»Nun, sie war am Leben, und sie hätte uns unterstützt, wenn nicht …«, er zauderte, dann senkte er seine Stimme. »Wir wurden von Kriegern des dunklen Kontinents überfallen. Wir kämpften mit allen Waffen, die uns zur Verfügung standen, aber am Ende haben wir Lian verloren.«
»Verloren?«, fragte die Gnomin. Die leuchtende Hoffnung in ihren Augen verblasste.
»Sie wurde getötet, bevor wir es verhindern konnten.«
Das war der Moment, in dem hinter Salvatorus ein hoch gewachsener Mann in einer blau gemusterten Uniform hereinkam, steif vor den Ratsmitgliedern salutierte und dann neben Salvatorus trat. Es war Herdanik, gefolgt von Zados und Nexus. Die Unruhe im Rat erreichte einen neuen Höhepunkt, und aus den Rufen der Mitglieder war herauszuhören, dass jetzt mehr Stimmen zu Xsanthani standen. Die Angst vor dem Unbekannten trieb sie zu demjenigen, der ihnen den größten Schutz versprach. Xsanthani konnte sich eine zufriedene Miene nicht verkneifen.
Zados konnte es nicht glauben. Sie waren nach einem kräfteraubenden Flug früher als erwartet angekommen. Direkt nach der Landung im Hof war ihnen von der ungewöhnlichen Ratsversammlung berichtet worden, auf der Xsanthani sich selbst als neues Regierungsoberhaupt anbot. Die Spatzen sangen es bereits von den Dächern. Salvatorus war unverzüglich losgerannt, um schnellstmöglich zu erfahren, was hier gespielt wurde. Zados war ihm mit Herdanik und Nexus gefolgt. Jetzt, wo der Halbelb mit eigenen Ohren hörte, dass die Ratsmitglieder tatsächlich darüber diskutierten, ob Xsanthani ein besseres Oberhaupt für die vereinten Völker wäre, wurde ihm schlecht. Entsetzt blickte er zu seinem Freund Nexus, der auch nur mit offenem Mund den lauten Gesprächen der Ratsmitglieder lauschte.
Zados trat vor und versuchte sich Gehör zu schaffen. Nach seinem dritten Aufruf blickten ihn die ersten Volksvertreter an. »Meine ehrenwerten Ratsmitglieder, bitte hört mir zu! Was Ihr hier besprecht, geht vollkommen gegen unsere Natur und gegen unsere Sitten. Wie könnt Ihr darüber diskutieren, dass Ihr die kommende Drachentochter nicht akzeptieren wollt, nur weil sie als Kind woanders aufgewachsen ist? Wie könnt Ihr Euch bloß aus einer Angst heraus hinter einem falschen Propheten verstecken?«
Nexus räusperte sich und trat neben Zados. »Was mein Freund sagen will, ist, dass eine Abstimmung nicht notwendig ist, nicht mehr, wirklich!«
Die Ratsmitglieder blickten stirnrunzelnd und zweifelnd zu Nexus. Er nickte eifrig. »Ja, wirklich! Nexus weiß, wovon er spricht! Die weiße Regentin Samantha mag nicht mehr sein, und auch um Lians Schutz wurden wir betrogen, aber Mina ist nicht mehr das Mädchen aus der Fremde. Nein, nein! Minas Drachenblut ist erwacht!«
Xsanthani hätte sich fast an dem Wasser verschluckt, das er gerade trinken wollte. Er hustete und fasste sich an die Brust. Mit purem Zorn in den Augen blickte er zu dem Waldkobold. Ja, er hatte das bereits gewusst, aber solange es noch niemand ausgesprochen hatte, war in ihm die Hoffnung gekeimt, dass es sein Geheimnis blieb, was er durch die Augen des besessenen Greifs
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