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Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Titel: Erbe des Drachenblutes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Thamm
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gut sichtbar freigelegt war. Mina mochte das Dorf mit seiner friedlichen Schlichtheit, doch sie hatte am eigenen Leib auch erfahren, dass man als Kind in einem solchen Ort sehr schnell einsam werden konnte. Es gab hier niemanden, der im gleichen Alter war wie sie und Janice, was nicht der einzige Grund dafür war, dass sie beide zu Außenseitern geworden waren. Minas Adoptiveltern hatten vor gut zehn Jahren am Dorfrand ein großes, modernes Haus erworben, und für Zugezogene war es bekanntlich schwerer, enge Kontakte mit den seit Generationen verwurzelten Anwohnern zu knüpfen. Einmal Fremde, immer Fremde, so war es auf dem Land. Das zu durchbrechen, bedurfte großen Engagements in der Gemeinschaft und Geduld. Dass sich ihre Eltern allerdings durch die beruflichen Erfolge und ihren sozialen Stand für etwas Besseres hielten, machte die Sache nicht gerade leichter.
    Minas Mutter, Henriette von Gabriel, war eine erfolgreiche Studienrätin, die mehr Zeit mit ihren Freundinnen aus der High Society-Szene verbachte als daheim. Und Minas Vater, Karl von Gabriel, unterrichtete als medienpräsenter Geschichtsprofessor mit zwei Doktortiteln an den unterschiedlichsten Universitäten. Sie hatten beide stets ein zufriedenes und erfolgreiches Leben geführt, doch eigene Kinder waren ihnen verwehrt geblieben. So hatten sie sich für eine Adoption entschieden. Sie hatten Mina erstmalig als Zweijährige in einem Waisenhaus gesehen. Sie war im Alter von ungefähr sechs Monaten in einem Weidenkorb ausgesetzt worden, und außer einem weißen Kleidchen, einem silbernen Amulett und einem kleinen Holzschildchen mit ihrem eingravierten Namen hatte sie nichts bei sich gehabt. Keiner wusste etwas über ihre Herkunft, und das hatte sich bis heute nicht geändert. Der beste Hinweis auf ihre Vergangenheit war noch das kreisförmige silberne Amulett mit dem eingravierten Drachen, der beide Flügel spreizte und seinem Betrachter kampfbereit entgegenzublicken schien. Doch die Betreiber des Waisenhauses hatten nie herausgefunden, was es mit dem Amulett auf sich hatte. Von einem befreundeten Juwelier erfuhren Minas Eltern später nur, dass dieses Schmuckstück einzigartig in seiner Verarbeitung und in der Hochwertigkeit des verwendeten Silbers war.
    Im Gegensatz zu anderen kinderlosen Eltern hatten die von Gabriels kein Kind adoptiert, um eine Leere im Herzen zu füllen oder eine überschwängliche Liebe weiterzugeben, die ansonsten in Bitternis umgeschlagen wäre. Nein, für sie war ein Kind auf gewisse Weise eine Notwendigkeit gewesen, um das Idealbild einer erfolgreichen Familie zu vervollständigen. Nach außen waren sie perfekte Eltern und kannten jeden Kniff der Erziehung, doch im wahren Leben waren es das Au-pair-Mädchen, die Gouvernante und der Privatlehrer gewesen, die sich um Mina gekümmert, sie unterrichtet und getröstet hatten, wenn sie sich einmal ein Knie angeschlagen hatte: pädagogisch einwandfreies Personal, das dafür bezahlt wurde, für sie da zu sein. Nichtsdestotrotz waren die von Gabriels stets auf die vorbildliche Entwicklung des Kindes stolz gewesen. Sie liebten es eben auf eine andere, ganz eigene Art und Weise, die Mina respektierte, denn immerhin hatten die von Gabriels sie aus dem Waisenhaus herausgeholt und ihr alles geboten, damit sie ihren eigenen Weg gehen konnte. Mina wusste, dass sie es gut mit ihnen getroffen hatte. Dafür war sie eine Tochter, die gerne in der guten Gesellschaft vorgezeigt wurde und alle in sie gesetzten Erwartungen erfüllte. Mit der Zeit hatte sich so zwischen Mina und ihren Adoptiveltern ein pragmatisches, aber gutes Verhältnis entwickelt. Und das war sicherlich schon mehr, als andere elternlose Kinder erwarten durften. Dennoch fehlte ihr etwas: die Fürsorge und Liebe. Wenn Mina dagegen Janices Mutter beobachtete, wie sie mit ihrer Tochter umging, ihr gut zuredete oder mit ihr lachte und scherzte, bekam sie jedes Mal einen Stich ins Herz.
    Mina blieb stehen. Vor ihr erhob sich das elterliche Haus, ein altes Herrenhaus, das umfangreich renoviert und modernisiert worden war. Sie betrat den breiten Hof, der links und rechts von dekorativen Grünstreifen flankiert dalag. Im Erdgeschoss und im ersten Stock brannte kein Licht mehr. Auch im Schlafzimmer ihrer Eltern und in dem mächtigen Arbeitszimmer – beides im zweiten Stock – war es dunkel. Das war Mina ganz recht so. Wenn keiner auf sie wartete, gab es auch keine unnötigen Fragen oder Diskussionen, warum sie noch immer ihre Zeit mit

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