Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
Erinnerung. Aber der natürliche Geruch von Lilys Haut vermischte sich so mit dem der Seife, dass er irgendwie ihr ganz eigener wurde.
Dann tat Ty, was er bereits hatte tun wollen, seit er sie damals unter dem Sternenhimmel hatte stehen sehen: Er öffnete den Mund, bohrte die Zähne in ihre zarte Haut und trank.
Der Geschmack ihres Bluts, wild und süß, breitete sich in seinem Mund aus, raste durch seinen Körper und erweckte schlagartig den alten, nicht zu leugnenden Hunger – jenen Drang, zu trinken, bis nichts mehr übrig war. Aber mehr noch, es erfüllte ihn mit Lilys Wesen, mit diesem einzigartigen Etwas, das von allen Menschen nur sie hatte. Von ihr zu trinken, war ein himmlisches Gefühl, wie er es noch nie erlebt hatte. Er zog sie zu sich hoch, vergrub die Hände in ihren Haaren und schwelgte in diesem Genuss.
Er spürte, wie ihr Herz unregelmäßig schlug, kurz aussetzte und kaum wahrnehmbar wieder anfing zu schlagen.
Die Zeit war gekommen.
Widerstrebend zog Ty die Zähne aus ihrem Hals. Er musste gegen den Instinkt ankämpfen, sie leer zu trinken, doch ein Blick auf sie brachte seine Gier schlagartig zum Erlöschen. Lily war weiß wie ein Bettlaken, und das einzig Farbige an ihrer Haut waren die zwei kleinen roten Bissmale, die seine Zähne hinterlassen hatten. Rasch ließ Ty einen seiner Fingernägel zu einer Klaue wachsen und riss damit das zarte Fleisch an seinem Handgelenk auf. Dunkles Blut quoll heraus. Ty presste das Handgelenk an Lilys blutleere Lippen.
»Trink, mein Schatz«, sagte er drängend. Er fühlte sich ein wenig schuldig, denn noch nie hatte er sich so lebendig gefühlt, während Lily dem Tod gefährlich nahe war. Alles, was sie brauchte, war ein einziger Tropfen. »Trink. Bleib bei mir, Lily. Kannst du mich hören? Bleib für immer bei mir. Ich liebe dich.« Inzwischen war es ganz einfach, das zu sagen. Aber sie konnte ihn nicht hören.
Oder etwa doch? Wenn er sich nicht täuschte, hatte sie gerade geschluckt. Und dann spürte er es noch einmal.
Ty war so erleichtert, dass er beinahe geweint hätte wie ein Kind. Sie würde ihn nicht verlassen. Nicht heute Abend, niemals, wenn er es irgendwie verhindern konnte.
Jetzt spürte er auch, wie sie an seinem Handgelenk saugte. Das Blut war in ihren Kreislauf gelangt und stärkte sie. Damit begann die eigentliche Umwandlung. Überrascht stellte Ty fest, wie viel Vergnügen ihm das bereitete. Es begann mit einem Prickeln an den Rändern der Wunde, die er sich zugefügt hatte, einem Prickeln, das immer intensiver wurde, bis die Wunde schließlich mit jedem Saugen pulsierte. Lilys Zunge fuhr gierig über seine Haut, und Tys Atem beschleunigte sich.
Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt , sagte er sich. Sie war nicht kräftig genug. Außerdem wollte sie ihn so vielleicht gar nicht mehr.
Dann gab sie sein Handgelenk frei und zog seinen Kopf zu sich heran, bis ihre Lippen sich berührten.
Verblüfft gab er einen Grunzlaut von sich, der rasch in ein Stöhnen überging, als sie die Arme um ihn schlang.
»Lily … meine Frau … lagst du nicht gerade noch im Sterben? Langsam, Schatz, lang–«
»Ich will es nicht langsam. Ich will dich. Jetzt.«
Sie riss ihm die Kleidung vom Leib, mit einer Wildheit, die für ihn völlig überraschend kam.
»Aber meinst du nicht –«
»Halt einfach den Mund und lass mich machen. Hast du auch nur ansatzweise eine Ahnung, wie sehr du mir gefehlt hast?«
Es war schwer, ihr zu widersprechen. Ty half ihr dabei, die Kleidung loszuwerden, ließ sie aber das Tempo vorgeben. Er konnte das Ausmaß ihrer Energie kaum fassen. Dann spürte er ihre unglaublich zarte Haut an seiner. Sie war jetzt deutlich kühler, was aber durch die Hitze, die zwischen ihnen aufloderte, locker ausgeglichen wurde.
Lily richtete sich auf und beugte sich über ihn. In der Dunkelheit wirkte sie wie eine blasse Göttin mit Haaren wie Feuer und Augen, die wie blaue Sterne funkelten. Als Mensch war sie schön gewesen, aber jetzt, als Vampirin, war sie so umwerfend, dass Ty der Atem stockte. Und sie gehörte ihm!
Ihr Mal, das Pentagramm und die Schlange, glitzerte noch immer grün. Aber um das Mal herum, wie in einer schützenden Umarmung, lagen die Beine einer Katze. Vorsichtig berührte Ty das Mal, hin- und hergerissen zwischen Freude über das Symbol, das sie verband, und Bedauern, dass er ihr kein Mal hatte geben können, das auf dieser Welt von Bedeutung war.
Sie schien zu spüren, was ihm durch den Kopf ging.
»Deins ist jetzt
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