Erben des Mondes - Grimoire lunaris
Irgendwie kamen sie mir sehr bekannt vor. Ich suchte in meinem Kopf nach dem passenden Ort. Es schlug ein wie ein Blitz! Ich hätte es doch gleich wissen müssen: Stonehenge! Wahnsinn. Nur war hier entgegengesetzt zu den Fotos, die ich kannte der äußere Ring noch komplett. Es sah toll aus. Alles von echten Fackeln beleuchtet, was das Ganze noch mystischer machte, als der Ort selber ohnehin war. Dann teilte sich die Gruppe in vier Teile. Diese sammelten sich jeweils um eins der Steinportale, die den inneren Kreis bildeten. Vier Personen traten nun aus den einzelnen Gruppen heraus und liefen zu dem fünften Portal. Eine Frau hob gebieterisch die Hände und prompt unterbrach das Getuschel und Gemurmel und es herrschte Totenstille.
„Seid gegrüßt, Töchter und Söhne des Mondes“, begann die Frau und ihre Stimme dröhnte, als würden hundert Echos zusammen mit ihr sprechen. Mein Blickwinkel änderte sich, als säße ich nun ganz oben auf dem äußeren Kreis. „Sicherlich habt ihr von den Gerüchten der letzten Tage gehört. Einem unserer Mitglieder ist es gelungen, aus einer anderen Quelle als der des Mondes Kraft zu schöpfen. Unvorstellbare Kraft. Wir hatten schon lange vermutet, dass Helena und ihr Gefährte einem Hexenzirkel beigetreten sind. Nun haben sie aber eindeutig eine Grenze überschritten und diesesTribunal soll nun darüber entscheiden, wie wir mit dieser neuen Situation umgehen werden. Für diejenigen, denen die Gerüchte nicht zu Ohren kamen fasse ich hiermit kurz zusammen: Unserer Schwester Helena ist es gelungen, Kraft aus einem Sterblichen zu ziehen. Keiner von uns weiß genau, wie sie dies vollbracht hat, jedoch hat sie ihm einen Teil seiner Lebensenergie entzogen und in sich aufgenommen. Diese Energiequelle birgt schier endlose Macht. Macht, die in den falschen Händen zum Schaden der Gemeinschaft und der gesamten Menschheit führen kann. Die mentalen Kräfte unter uns werden den Vorgang prüfen, denn nur so kann es Helena gelungen sein, den Menschen zu verführen. Mit dem Raub an diesem armen Geschöpf ist sie zu weit gegangen. Zu weit auf die dunkle Seite. Es verbleibt also zu entscheiden, ob ein Verlassen der Töchter und Söhne ausreicht, um sie zur Vernunft zu bringen oder ob wir auch radikalere Konsequenzen in Betracht ziehen müssen. Sie ist eine der stärksten Mentalkräfte, die ich auf diesem Planeten je gesehen habe und wenn sie von der Gier nach Macht verseucht wurde, wird sie nicht so schnell damit aufhören, den Menschen die Lebenskraft zu rauben. Den weiteren Gerüchten zufolge soll sie bereits Gleichgesinnte um sich sammeln, allesamt von derselben Gier durchtränkt.“
„Ist es wahr, dass es sich nur um Telepathen handelt?“, rief einer dazwischen.
Die Frau nickte und antwortete dann mit einem Bedauern in der Stimme: „Ja. Leider ist es wahr. Daher gehen wir davon aus, dass die mentale Gabe etwas mit dem Raub zu tun hat. Ich werde ebensomit in dem Prüfungskomitee sitzen wie viele meiner weltweit stärksten Kollegen. Hoffentlich können wir herausfinden, wie Helena so etwas gelingen konnte.“ Das Gemurmel unter den Zuhörern wurde immer lauter. Plötzlich rief eine weibliche Stimme: „Sollten wir nicht alle Telepathen unter Beobachtung stellen? Schließlich könnten sie auch uns Leid zufügen, oder etwa nicht?“
Sie erntete ein zustimmendes Raunen aus der Menge. „Ja! Wir haben Angst um unsere Kinder, unsere Familien!“, rief ein älterer Herr aus.
„Ich bin dafür, Senna als Vorsitzende des Tribunals abzulösen“, rief es irgendwo aus der Menge.
„Felix, ich denke, du weißt genau, dass das nicht nötig sein wird. Ich habe die mentale Gabe. Ja. Aber ihr dürft nicht meinesgleichen verunglimpfen, weil eine unserer Art zur dunklen Seite übergelaufen ist. Ich wurde wie alle, die neben mir stehen, von euch gewählt. Ich erhielt sogar die meisten Stimmen und sitze daher diesem Tribunal vor. Meine Fähigkeit wird mir aber sicherlich nicht im Wege stehen, das Dunkle zu bekämpfen – egal in welcher Person es sich manifestiert.“ An ihrem Tonfall konnte ich Sennas Ärger über diesen Vorschlag heraushören. „Ich denke, es ist das Beste, wenn wir uns nun trennen und in einer Woche über die Ergebnisse unseres Prüfungskomitees beratschlagen. Kinder des Mondes, möge uns unser Herr in der nahen Zukunft beistehen und uns leiten.“ Mit diesem Satz drehte sie sich um und verließ den Platz. Mein Blick kreiste noch drei Runden über Stonehenge und flog dann in den
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