Erbin des Gluecks
lebhaft daran, wie Francesca als Kind in der Blütenpracht geschwelgt hatte. Blumen und Duft, so weit das Auge reichte! Ihre kindliche Fantasie war in dieser Traumwelt aufgegangen, die ihr geholfen hatte, den tragischen Verlust ihrer Eltern zu ertragen.
Er sah sie im Geiste aufgeregt davonlaufen, hinein in ein Meer weißer Gänseblümchen. Ihr silberhelles Lachen erfüllte die Luft, während sie eine Blumenkette flocht, die sie sich dann wie ein Diadem in das lange Haar drückte. Sie hatte wundervolles schwarzes Haar, das wie Rabengefieder glänzte. Meist hatte Carina das Glück zerstört, indem sie ihrer Cousine den Kranz vom Kopf riss und wegwarf – mit der Begründung, es könnte Ungeziefer darin sein. In Wirklichkeit lautete die Botschaft anders. Francesca sollte sich nicht vordrängen. Es war ihr bestimmt, in Carinas Schatten zu leben.
„Ich weiß nicht, wie das enden soll“, hatte Bryns Großmutter einmal gesagt und dabei besorgt die Stirn gerunzelt. „Carina hasst unsere kleine Francey. Das kann nur noch schlimmer werden.“
Und das war es auch. Obwohl die meisten Menschen es nicht bemerkten, war Carina äußerst schlau. Sogar Francesca ließ nichts auf sie kommen, das gehörte zu ihrer sanften Natur. Dabei hätte Bryn geschworen, dass sie Carinas Charakter richtig einschätzte und spürte, wie sehr sie ihrem boshaften und ränkevollen Großvater glich.
Bryn wusste auch, dass Carina auf ihn fixiert war. Das verrieten ihre Augen, sooft sie ihn ansah. In jungen Jahren hatte er eine kurze, heftige Affäre mit ihr gehabt. Carina war eine reizvolle junge Frau, er hatte jedoch begreifen müssen, dass sie einen bösen Zug hatte. Das störte ihn nicht, solange Francesca nicht darunter leiden musste. Francesca hatte Carinas Mutter mit ihrem sanften, engelhaften Wesen von Anfang an für sich eingenommen.
Elizabeth liebte sie wie eine zweite Tochter. Damit hatte alles angefangen.
Die Beech King Air B100, „Titans“ neueste Anschaffung, glitt wie ein Vogel durch die Luft. Sie unterschied sich wesentlich von den anderen Maschinen des gleichen Herstellers und war an den veränderten Düsen und Propellern leicht zu erkennen. Bryn flog leidenschaftlich gern. Er entspannte sich dabei und setzte auch jetzt mühelos zur Landung an. Das Metalldach des lang gestreckten Hangars glänzte so hell in der Sonne, dass es ihn fast blendete. Es musste Einbildung sein, aber er glaubte, das wilde Buschland schon jetzt riechen zu können. Nichts glich diesem Duft. Er war trocken und würzig und barg die endlose, blumengeschmückte Weite in sich.
Der Jeep für die Fahrt zum Wohnhaus stand bereit. Bryn hoffte, Francesca dort anzutreffen, was absolut nicht sicher war. Wahrscheinlich würde er nach ihr suchen müssen. Die Nachricht von Sir Francis’ Tod hatte die abgelegene Farm mit Sicherheit noch nicht erreicht. Nur gut, dass er die traurige Botschaft persönlich überbrachte.
Nach zehn Minuten tauchte das Herrenhaus vor ihm auf. Das alte, im klassischen Kolonialstil errichtete Gebäude, das über hundert Jahre „Darambas“ Wahrzeichen gewesen war, existierte nicht mehr. Sir Francis hatte es nach dem Erwerb der Ranch in den späten Siebzigerjahren abreißen lassen, weil es nicht seinem Geschmack entsprach. An derselben Stelle stand jetzt ein modernes Gebilde, das viel von seinem Erbauer verriet. Auch der schöne alte Brunnen, der die Auffahrt geschmückt hatte, war nicht mehr da. Bryn erinnerte sich noch gut an die drei geflügelten Pferde, die auf ihren Vorderhufen die Hauptschale getragen hatten. Jetzt rauschte keine Fontäne mehr. Kein Windhauch sprühte die silberhellen Tropfen über den gepflasterten Hof.
„Allmächtiger!“, hatte Bryns Großvater geflüstert, als er zum ersten Mal zu Besuch gekommen war.
Bryn erinnerte sich daran, als wäre es gestern gewesen. Sir Francis hatte das Auto kommen gehört und war herausgetreten, um seinen Freund zu begrüßen und seine Meinung über den Neubau zu erfahren.
„Er gleicht dir sehr“, hatte Theodore geantwortet, ohne dass Francis die Ironie wahrnahm.
Dem kleinen Bryn war sie allerdings nicht entgangen.
„Fantastisch, Sir“, hatte er rasch hinzugefügt, denn der langjährige Freund und Partner seines Großvaters sollte sich nicht beleidigt fühlen. Außerdem war das neue Haus wirklich außergewöhnlich, obwohl es einer modernen Forschungsstation glich.
Jetzt stand Bryn wieder vor dem einstöckigen Ungetüm aus Beton, Stahl und Glas. Es war viermal so groß wie das
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