Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
philosophischen Weltanschauung war ihm das Arbeiten in Fleisch und Blut übergegangen, was Madeleine ständig, und manchmal mit Erfolg, zu unterlaufen versuchte. Hatte er erst einmal losgelassen, war er sexy, witzig und gesprächig, und man hätte ihn leicht für einen Faulpelz halten können, der seinen Hintern noch nie aus dem Bett bewegt hatte.
An die Kissen gelehnt, den Skizzenblock auf den Knien, zeichnete Madeleine ihn, wie er auf dem Bauch quer über dem Bett lag und im Lexikon nach einem Wort suchte, über das sie diskutiert hatten.
»Resipiscent«, las er triumphierend vor. »Adjektiv. Zu einem gesünderen Bewusstseinszustand zurückgekehrt sein. Abgeleitet von dem lateinischen resipiscere: wieder zu sich kommen, sich wieder erholen, wieder zur Einsicht kommen.«
»Halt still, Kumpel.«
Madeleines Zeichenkohle flog über das Papier. Von draußen drang Lärm zu ihnen. Judy Montoya schrie wie immer ihre Kinder an, und ihr Nachbar Fred rief ihr etwas zu. Schritte polterten auf dem Holzsteg und verklangen wieder.
»Bestellen wir noch einen Kaffee«, sagte Forrest. »Wo zum Teufel ist das Personal, wenn man es braucht?«
»Ich habe ihnen heute frei gegeben.«
Ihr rostiger alter Kahn war ein Erbstück von Forrests Großmutter mütterlicherseits, und das einzige Personal, das je einen Fuß darauf gesetzt hatte, war Granny selbst gewesen, die einst Drinks im Turtle Kraals servierte.
»Ach, zum Teufel. Dann mach ich eben Kaffee.« Forrest sprang auf und wickelte sich ein Handtuch um die Hüften. »Was hältst du von einem Glas Sekt mit etwas frisch gepresstem Orangensaft? Und Erdbeeren. Ich habe welche im Kühlschrank gesehen.«
»Im Prinzip sehr gern.« Sie wollte ihn am Handgelenk packen, denn sie fürchtete, er würde sich ablenken lassen und das Deck schrubben oder die Wäsche von der Leine nehmen.
»Ich komm wieder, Süße. Das schwör ich dir!«
Sie lauschte angespannt. Der Kahn schaukelte auf den Wellen, und Wasser schwappte laut um den Bug. Eine Böe blies eine Plastiktüte waagerecht am Bullauge vorbei. Ihre Uhr zeigte 12.30. Sie stand auf und legte ihr Gesicht an die nach außen gewölbte Scheibe. Marian und Greg Possle rannten, Bündel in den Händen, den Holzsteg entlang. Obwohl sie normalerweise sehr gelassen waren, schienen sie es eilig zu haben. Ihre zum Pferdeschwanz gebundenen Haare flatterten ihnen im auffrischenden Wind um den Kopf. Durch den Lärm hindurch hörte sie, wie Forrest auf Deck irgendetwas herumräumte. Komm ins Bett zurück, du Abtrünniger, dachte sie und legte sich wieder hin. Ich will dich.
Zehn Minuten später kam er mit leeren Händen zurück. Seine Miene war konzentriert, und er ging rasch zu seinen Shorts hin und zog sie an. Sie stützte sich auf den Ellbogen.
»He, was soll das denn? Wo bleibt mein Sekt?«
»Zieh dich besser an. Süße.«
»Warum? Was ist los?«
»Draußen ist keine Menschenseele mehr zu sehen. Offenbar haben sich alle auf die Socken gemacht.«
Lächelnd schlug sie mit der flachen Hand auf die Bettseite neben sich. »Also sind wir beide ganz allein.«
»Besser, du packst ein paar Sachen zusammen, Madeleine. Es kommt Sturm auf.«
»Ganz im Ernst«, erwiderte sie, rührte sich aber nicht.
»Schalte das Radio ein, dann hörst du es.«
»Auf eine halbe Stunde kommt es doch nicht an.«
Er schüttelte den Kopf, und sie dachte schon, dass sie auf ihn verzichten musste. Aber er zögerte, als sie lüstern den Bademantel aufschlug und die Arme nach ihm ausstreckte.
»Komm her und küss mich, bevor du wegrennst.«
Er küsste sie ausgiebig. »Also gut, du schamloses Weibsbild. Aber leider kann das hier nicht allzu lange dauern.«
Sein weiches blondes Haar glitt über ihre Brüste, während er sich auf sie zu bewegte. Er hatte eine ganz besondere Art, sie anzusehen, wenn sie sich liebten. Er versenkte seinen Blick in ihrem, hypnotisierte sie, und alles um sie herum versank.
Eine plötzliche Dünung ließ den Kahn von einer Seite auf die andere rollen, und lachend rollten sie mit. Aber sie hielten sich zurück; keiner von beiden wollte beenden, was sie begonnen hatten. Ungeachtet der vielen Jahre, die sie bereits zusammen waren, war es immer so zwischen ihnen, wenn sie sich liebten. Zeit und Raum entglitten ihnen, und sie entschwebten an einen fernen Ort und wollten einander nie wieder loslassen. Der Höhepunkt bedeutete das Ende, die Trennung, und das wollten sie nicht.
Eine weitere starke Dünung löste bei Forrest ein Stirnrunzeln aus. Einen
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