Erde
einen großen Eindruck gemacht hatte. Vielleicht, um die Grenzen ihrer Geduld zu zeigen, hatte der Erdengeist vor ein paar Tagen – anders, als es sonst seine Art war – ein besonders scharfes Exempel statuiert.
Seit der ›Transformation der Engel‹, als der Horror plötzlich weltweit aufgehört hatte, hatte es dennoch gesicherte Fälle gegeben – nicht mehr als insgesamt einige hundert –, daß Leute durch eine plötzliche tödliche Kraft in Fetzen gerissen wurden, ohne Vorwarnung oder Gnade. In jedem dieser Fälle fanden untersuchende Reporter wie durch Zauberei auf ihren Schirmen Beweise dafür, daß die Opfer zu den schlimmsten, schamlosesten Verschmutzern, Verschwörern, Lügnern… gehörten.
Offenbar waren manche ›Zellen‹ einfach zu krank – oder von Krebs befallen – daß man sie erhalten könnte, selbst seitens eines ›Körpers‹, der sich als gegenüber einer Vielfalt als tolerant bezeichnet hatte.
(E)»TOD IST NOCH TEIL DES PROZESSES…«
Das war der über Zeitungsdisplays verbreitete Kernsatz. Erstaunlicherweise rief die Warnung nur wenige Kommentare hervor, was an sich eine Menge über Konsens auszusagen schien. Die Fälle ›chirurgischer Beseitigung‹ hörten auf, und das war es dann wohl gewesen.
Teresa verwunderte ihre persönliche Reaktion auf all dies. Es überraschte sie, daß sie so wenig Aufmüpfigkeit bei dem Gedanken an die Machtübernahme irgendeines ›planetaren Übergeistes‹ empfand. Vielleicht deshalb, weil die Wesenheit so vage schien. Oder weil sie uninteressiert schien, sich in Leben auf persönlicher Ebene einzumischen. Oder weil die Menschen letztlich der Cortex, die Gehirnlappen des Geistes zu sein schienen.
Oder vielleicht war es einfach die absolute Vergeblichkeit von Rebellion. Gewiß schien es der Präsenz nichts auszumachen, wenn bestimmte Individuen oder Gruppen verärgert auf Umsturz sannen. Es gab sogar eigens reservierte Kanäle im Netz für jene, die zum Widerstand aufriefen! Nachdem sie einige Zeit zugehört hatte, verglich Teresa diese geharnischten Appelle mit den rachsüchtigen kathartischen Tagträumen, die jeder normale Mensch ab und zu hat… lebhaften Gedankenexperimenten, die eine normale Person anschauen kann, ohne je ihrer Ausführung nahezukommen. Sie würden wahrscheinlich eine Weile sieden und schmoren und dann, wie die schimpflicheren Leidenschaften der Pubertät, von ihrer eigenen Hitze und Undurchführbarkeit verdampfen.
»Captain Tikhana«, erscholl von hinten eine Stimme und störte ihre Betrachtungen. »Da wir bald dort sind, darf ich bitte aufhören, an die Rohre zu treten und etwas ausruhen?«
Pedro Manellas Kopf und Oberkörper ragten halbwegs vom Tunnel ins Zwischendeck. Der normalerweise tadellose Journalist war schmierig und stank nach vielen Tagen Arbeit ohne Bad. Teresa schickte ihn fast wieder hinunter, um ihn aus dem Wege zu halten. Aber nein, das wäre unfair. Er hatte schwer gearbeitet, all die Dreckarbeit gemacht und Fäkalien weggeschafft, während sie und Alex zu tun hatten. Wahrscheinlich hätten sie es ohne ihn nicht geschafft.
»All right, Pedro«, sagte sie zu ihm. »Ich nehme nicht an, daß das Kühlsystem in den nächsten fünf Minuten einfrieren wird. Sie können die Landung beobachten, wenn Sie ruhig sind.«
»Ich werde still sein wie eine Kirchenmaus.« Er hüpfte schwebend hinüber und packte den Sessel des Copiloten, wagte aber nicht, sich hinzusetzen. Der Platz war voll von ihren improvisierten Konsolen. Teresa bemühte sich, das Aroma zu ignorieren, das von dem dicken Mann ausging. Schießlich roch sie vermutlich kaum besser.
Als Alex sie dann einem sanften Rendezvous mit der wartenden Station entgegenführte, benutzte Teresa ihren geringen Vorrat an kostbarem, aufgehobenem Reaktionsgas, um die Atlantis für das Andocken zu orientieren. Astronauten in Raumanzügen gaben Signale in der wirksamen hübschen Sprache mit den Händen, die ihr jetzt mehr nützten als die knappen Worte der Verkehrslotsen der Station, die ohnehin keine Ahnung hatten, was sie mit diesem seltsamen Vehikel anfangen sollten.
Schließlich rasteten sie mit einem Stoß und Geklirr ein. Die alte Luftschleuse der Atlantis ächzte, als sie zum erstenmal seit Dekaden in Betrieb genommen wurde. Sie zischte wie ein gekränktes altes Weib.
Teresa warf Schalthebel zurück und tätschelte dann die Konsole ein letztes Mal.
»Leb wohl, altes Mädchen!« sagte sie. »Und noch einmal vielen Dank!«
Nach dem Überführen der
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