Erdzauber 03 - Harfner im Wind
daß ich niemals zulassen werde, daß du mich verläßt.«
Er sah plötzlich, was sie aus dem Feuer formte. Sie hatte es fertig und hielt es ihm hin: eine Harfe aus Feuer, die die Dunkelheit rund um ihre Hand verzehrte.
»Du bist der Rätselmeister. Wenn du solchen Glauben an Rätsel hast, dann beweise es mir. Du kannst ja nicht einmal deinem eigenen Haß ins Auge blicken, und du willst mir Rätsel aufgeben. Für einen Menschen wie dich gibt es einen Namen.«
»Na«, sagte er, ohne die Harfe zu berühren. Sein Blick folgte dem Licht, das geräuschlos über die Saiten sprang. »Wenigstens weiß ich meinen Namen.«
»Du bist der Sternenträger. Warum kannst du mich nicht in Ruhe lassen? Warum kannst du mich nicht meine eigenen Entscheidungen treffen lassen? Was ich bin, spielt keine Rolle.«
Über die flammende Harfe hinweg blickte er sie an. Etwas, das er sagte oder dachte, ohne sich dessen bewußt zu sein, zerriß die Harfe in ihrer Hand. Er griff über das Feuer hinweg, umfaßte ihre Schultern und zog sie auf die Füße. »Wie kannst du das zu mir sagen? Wovor, in Hels Namen, hast du Angst?«
»Morgon - «
»Du wirst dich nicht in etwas verwandeln, das keiner von uns beiden mehr wiedererkennen würde!«
»Morgon!« Sie schüttelte ihn plötzlich, in dem Bemühen, ihn sehend zu machen. »Muß ich es denn aussprechen? Ich fliehe nicht vor etwas, das ich hasse, sondern vor etwas, nach dem mich verlangt. Ich fliehe vor der Macht dieses belasteten Erbes. Ich begehre sie. Jene Macht, die Ymris verschlingt, die das Reich und dich vernichten will - nach ihr verlangt mich. Ich bin unlösbar an sie gefesselt. Und ich liebe dich. Den Rätselmeister, den Mann, der alles, was zu diesem Erbe gehört, bekämpfen muß. Du verlangst Dinge von mir, die du nur hassen wirst.«
»Nein«, flüsterte er.
»Wie kann ich den Landherrschern, den Zauberern von Lungold gegenübertreten? Wie kann ich ihnen sagen, daß ich eine Verwandte deiner Feinde bin? Wie sollen sie mir je vertrauen? Wie kann ich mir selbst vertrauen, da ich nach so schrecklicher
Macht verlange - «
»Rendel!«
Mit steifer Bewegung hob er eine Hand, streichelte ihr Gesicht, wischte das Feuer und die Tränen fort, in dem Bemühen, es klar zu sehen. Doch unruhige Schatten lagen flackernd auf ihm, so daß es wie aus Feuer und Finsternis geformt schien, das Gesicht einer Frau, das er zuvor nie recht gesehen hatte und das er auch jetzt nicht recht sehen konnte. Irgend etwas wich vor ihm zurück, löste sich unter seinen Händen auf, als er es berührte.
»Ich habe nie etwas anderes von dir verlangt als die Wahrheit.«
»Du wußtest nie, was du verlangtest - «
»So ist es immer. Ich weiß es nicht, ich frage einfach.«
Das Feuer zwischen ihnen formte sich zu der Lösung des Rätsels, nach der sein Geist haschte. Er sah sie plötzlich, und zur gleichen Zeit sah er wieder Rendel, die Frau, für die so viele Männer in Pevens Turm gestorben waren, die Erbin des Feuers, die ihn liebte und mit ihm stritt und die nach einer Macht verlangte, die ihn vielleicht vernichten würde. Einen Moment lang kämpften Fragmente des Rätsels in seinem Geist gegeneinander. Dann glitten sie ineinander, und er sah die Gesichter von Gestaltwandlern, die er kannte; er sah Eriel, den Harfner Corrig, den er getötet hatte, die Gestaltwandler, die er in Isig getötet hatte. Ein kalter Schauder der Furcht und des Staunens durchrann ihn.
»Wenn du - wenn du etwas von Wert in ihnen siehst«, flüsterte er, »was, ins Hels Namen, sind sie dann?«
Sie hielt ihn ganz fest. Ihr Gesicht war reglos, feurig von Tränen.
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Doch, das hast du gesagt.«
»Nein. Ihre Macht hat nichts von Wert.«
»Doch. Du spürst es in dir selbst. Und danach verlangt dich.«
»Morgon - «
»Entweder verwandelst du dich in meinem Geist, oder sie
verwandeln sich. Dich kenne ich.«
Langsam ließ sie ihn los. Sie war unsicher. Er hielt sie noch immer fest, während er sich den Kopf zerbrach, was für Worte er ihr sagen mußte, damit sie ihm vertrauen konnte. Ganz allmählich wurde ihm klar, auf welche Argumente sie hören würde.
Er ließ sie los und gab der Harfe Gestalt, die er auf seinem Rücken trug. Sie lag in seinen Händen wie eine Erinnerung. Er setzte sich nieder, während sie reglos, wortlos am Rand des Feuers stand und ihn beobachtete. Die Sterne auf der Stirnseite der Harfe, rätselhaft und voller Geheimnisse, auf die es keine Antwort gab, trafen blitzend seinen Blick.
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