Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
Vom Netzwerk:
vor sich selbst fliehen.«
    »Du fliehst doch auch. Vielleicht nicht vor dir selbst, aber vor dem Rätsel in deinem Rücken, dem du niemals ins Gesicht siehst.«
    Müde hob er den Kopf und sah sie an. Er trat zum Feuer und schürte die sterbenden Flammen neu an.
    »Ich fang’ uns ein paar Fische. Morgen früh geh’ ich noch einmal ins Gasthaus und hole alles, was wir brauchen. Vielleicht kann ich dort die Sättel verkaufen. Wir könnten das Geld gebrauchen. Es ist ein langer Weg bis Lungold.«
    Am folgenden Tag sprachen sie kaum miteinander. Glühend stach die Sommerhitze auf sie hinunter, selbst wenn sie im
    Schatten der Bäume neben der Straße wanderten. Morgon trug beide Bündel. Bis zu diesem Moment war ihm gar nicht bewußt geworden, wie schwer sie waren. Die Riemen schnitten in seine Schultern ein und rieben seine Haut auf, so wie der Hader, den sie miteinander hatten, seine Seele aufrieb. Rendel erbot sich, eines zu tragen, doch er lehnte zornig ab, und sie wiederholte ihr Angebot nicht.
    Am Mittag setzten sie sich an den Fluß und ließen die Füße ins Wasser hängen, während sie aßen. Das kalte Wasser tat ihnen beiden wohl, und sie sprachen ein wenig miteinander. Am Nachmittag war die Straße ziemlich ruhig; lange ehe ein Wagen auftauchte, konnten sie das Knarren seiner Räder hören. Doch die Hitze war sengend, beinahe unerträglich. Schließlich schwenkten sie von der Straße ab und trotteten bis zum Einbruch der Abenddämmerung am Flußufer entlang.
    Als sie einen Lagerplatz gefunden hatten, ließ Morgon Rendel allein. Sie setzte sich ans Ufer und ließ die Beine ins Wasser baumeln, während er in Falkengestalt auf Jagd ging. Er schlug einen Hasen, der in den letzten Strahlen der Sonne auf einer Wiese träumte. Bei seiner Rückkehr fand er Rendel dort vor, wo er sie zurückgelassen hatte. Er häutete den Hasen und nahm ihn aus, hängte ihn dann an einem Spieß aus grünem Holz über das Feuer. Schweigend betrachtete er Rendel, die noch immer reglos am Ufer saß und ins Wasser starrte. Schließlich sprach er ihren Namen.
    Sie stand langsam auf, kletterte stolpernd die Böschung herauf. Dicht vor dem Feuer ließ sie sich nieder und zog ihren feuchten Rock fest unter ihren Füßen zusammen. Im Flammenschein sah er sie lange an und vergaß, den Spieß zu drehen. Ihr Gesicht war sehr still; unter ihren Augen sah er winzige Linien des Schmerzes. Er holte plötzlich Atem; ihre Augen trafen die seinen, und eine klare, eindeutige Warnung stand in ihnen. Doch seine Sorge um sie mußte sich trotz ihrer Warnung Luft machen.
    »Warum hast du mir nicht gesagt, daß du solche Schmerzen hast? Laß mich deine Füße sehen.« »Laß mich in Ruhe!« Die Heftigkeit ihrer Stimme erschreckte ihn. Sie hockte zusammengekrümmt da. »Ich hab’ dir gesagt, daß ich zu Fuß nach Lungold wandern werde, und das werde ich auch tun.«
    »Wie denn?« Er sprang auf, und Zorn gegen sich selbst hämmerte in seinem Hals. »Ich besorge dir ein Pferd.«
    »Womit denn? Wir konnten ja nicht einmal die Sättel verkaufen.«
    »Ich verwandle mich in eines. Du kannst auf mir reiten.«
    »Nein.« Ihre Stimme zitterte mit dem gleichen, seltsamen Zorn. »Das wirst du nicht tun. Ich werde nicht auf deinem Rücken bis nach Lungold reiten. Ich habe gesagt, daß ich zu Fuß gehe.«
    »Du kannst ja kaum noch zehn Schritt gehen!«
    »Ich tu’ es trotzdem. Wenn du den Spieß nicht umdrehst, brennt unser Abendessen an.«
    Er rührte sich nicht; sie beugte sich vor und drehte den Spieß selbst. Ihre Hand zitterte. Während Licht und Schatten über sie hinspielten, fragte er sich plötzlich, ob er sie überhaupt kannte.
    »Rendel«, sagte er flehend, »was, in Hels Namen, willst du denn tun? Du kannst doch so nicht laufen. Du willst nicht reiten. Du willst dich nicht verwandeln. Willst du nach Anuin zurückkehren?«
    »Nein.« Schmerz lag in ihrer Stimme, als hätte er sie mit seiner Frage verletzt. »Ich kann vielleicht mit Rätseln nicht viel anfangen, aber Gelöbnisse, die ich einmal gemacht habe, breche ich nicht.«
    »Wie kannst du Ylons Namen Ehre zuteil werden lassen, wenn du für ihn und sein Erbe nichts übrig hast als Haß?«
    Sie beugte sich wieder vor, um den Spieß zu drehen, glaubte er, doch statt dessen nahm sie eine Handvoll Feuer. »Er war einmal König von An. Das gibt ihm eine gewisse Ehre.« Ihre Stimme zitterte stark. Sie formte einen Keil aus Feuer, wob mit den Fingern fadendünne Saiten. »Ich hab’ in seinem Namen geschworen,

Weitere Kostenlose Bücher