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Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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seiner Hand stach still in die windlose Nacht. Das tödliche, makellose Spiel der Harfe, das immer irgendwo im Dunklen hinter seinen Gedanken perlte, verwirrte sich plötzlich mit den mühsamen, stockenden Klängen, die er in den vergangenen Nächten gehört hatte. Er stand am Rande des Lichtscheins seiner eigenen Fackel und wollte schreien vor Wut, wollte kehrtmachen und gehen, ohne ein Wort zu sagen, und fühlte sich dennoch viel stärker getrieben, noch einen Schritt vorwärts zu gehen und eine Frage zu stellen. Und schließlich ging er diesen Schritt, so lautlos, daß er sich selbst kaum bewußt war, wie er sich bewegte.
    »Was ist Euch geschehen?«
    Seine eigene Stimme klang ihm fremd in den Ohren, als zuckte sie ein wenig zurück vor ihrer eigenen Ruhe.
    Der Harfner blickte auf seine Hände hinunter, die wie Gewichte zu beiden Seiten seines Körpers lagen.
    »Ich hatte einen Streit«, sagte er, »mit Ghisteslohm.«
    »Ihr verliert nie einen Streit.«
    Er war noch einen Schritt vorwärts gegangen, noch immer so angespannt und lautlos wie ein Tier.
    »Ich habe auch diesen nicht verloren. Hätte ich ihn verloren, so gäbe es im Reich einen Harfner weniger.«
    »Ihr sterbt nicht leicht.«
    »Nein.«
    Er beobachtete Morgon, der noch einen Schritt machte, und Morgon, der es merkte, erstarrte. Klaren Blicks sah ihm der Harfner in die Augen, bekannte alles, fragte nichts. Morgon schob die Fackel in seiner Hand höher. Sie brannte dicht über seiner Haut; er ließ sie fallen und entfachte im toten Laub ein kleines Feuer. In der veränderten Beleuchtung lag Thods Gesicht im Schatten; Morgon sah es so, wie er es in früheren Tagen hinter anderen Feuern gesehen hatte. Er schwieg still, eingeschlossen wieder in das Schweigen des Harfners. Und dieses Schweigen zog ihn vorwärts, wie über eine Brücke, die schmal war wie eine Schwertklinge und die Schlucht seines Zorns und seiner Verwirrung überspannte. Er kauerte schließlich neben dem Feuer nieder, zog einen Kreis darum und hielt es klein mit seinem Geist.
    Nach einer Weile fragte er: »Wohin wollt Ihr?«
    »Dorthin zurück, wo ich geboren wurde. Nach Lungold. Es gibt sonst keinen Ort, wohin ich mich wenden könnte.«
    »Ihr wandert zu Fuß nach Lungold?«
    Der Harfner zuckte leicht die Achseln. »Ich kann nicht reiten.«
    »Was wollt Ihr in Lungold tun? Ihr könnt nicht auf der Harfe spielen.«
    »Ich weiß es nicht. Betteln.«
    Morgon schwieg wieder, während er ihn ansah. Seine Finger, die im welken Laub gruben, fanden eine Eichel und schnippten sie ins Feuer.
    »Ihr habt Ghisteslohm sechshundert Jahre lang gedient. Ihr habt mich ihm ausgeliefert. Ist er so undankbar?«
    »Nein«, antwortete Thod ohne alle Leidenschaft. »Er war argwöhnisch. Ihr ließt mich lebendigen Leibs aus Anuin fortgehen.«
    Morgons Hand erstarrte unter den dürren Blättern. Irgend etwas durchrann ihn in diesem Moment, wie ein schwacher, wilder Hauch eines Windes, der über die nördlichen Einöden und über das ganze Reich hinweggefegt war, um dieser stillen Sommernacht eine Ahnung seines Wesens mitzuteilen. Nach einer Weile regte er seine Hand wieder; ein Zweig knickte zwischen seinen Fingern. Er warf die zerbrochenen Teile ins Feuer und tastete sich seinen Weg zu seinen Fragen, als begänne er einen Rätselkampf mit einem, über dessen Fähigkeiten er nichts wußte.
    »Ghisteslohm war in An?«
    »Er war im Hinterland gewesen, um seine Kräfte aufzubauen, nachdem Ihr Euch von ihm befreit hattet. Er wußte nicht, wo Ihr wart, doch da mein Geist ihm immer offen ist, war es ihm ein leichtes, mich in Hel zu finden.«
    Morgon hob den Bjick. »Euer Geist ist noch immer mit dem seinen verbunden?«
    »Ich vermute es. Mich braucht er jetzt nicht mehr, aber es kann sein, daß Ihr in Gefahr seid.«
    »Er kam aber nicht nach Anuin, um mich dort zu suchen.«
    »Er begegnete mir sieben Tage nachdem ich Anuin verlassen hatte. Es schien unwahrscheinlich, daß Ihr noch dort sein würdet.«
    »Ich war dort.« Er legte eine Handvoll Äste ins Feuer, sah zu, wie sie aufloderten, sich dann in der Hitze verbogen und krümmten. Seine Augen glitten plötzlich zu den verkrüppelten Fingern des Harfners. »Was, in Hels Namen, hat er Euch angetan?«
    »Er machte mir eine Harfe, da Ihr die meine zerstört hattet und ich keine hatte.« Ein Licht flackerte in den Augen des Harfners, wie eine Erinnerung an Schmerz oder wie distanzierte, kalte Erheiterung. Das Licht trübte sich, und er neigte leicht den Kopf, so daß sein

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