Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
Vom Netzwerk:
Erlenstern-Bergs. Der Turm umhüllte sich mit schwarzer Nacht; er schluckte Bitterkeit wie Seewasser. Das Feuer jenseits seiner Augen flüsterte und wisperte in Sprachen, die er nicht verstand. Ein Wind fegte durch die Stimmen und wirbelte sie aus seinem Geist hinaus. Die Steinquader des Turmes erzitterten, vom tiefen Singen eines Windes erschüttert. Dann folgte eine lange Stille, in der er vor sich hindämmerte, erwärmt von sommerlichem Licht. Danach erwachte er wieder, eine seltsame, wilde Gestalt in einem Schafspelz, der dem Wind geöffnet war. Tiefer und tiefer glitt er in die reinen, tödlichen Stimmen des Winters.
    Er saß an einem Feuer und lauschte den Winden. Doch sie waren jenseits eines Kreises aus Steinen; sie berührten weder ihn noch das Feuer. Er regte sich, zwinkerte mit den Augen, rückte Nacht und Feuer und das Gesicht des Zauberers wieder ins Licht der Gegenwart. Seine Gedanken sammelten sich wieder im Turm. Er sank vornüber, so müde, daß er am liebsten mit dem verlöschenden Feuer verloschen wäre. Der Zauberer stand auf, ging ein Weilchen lautlos durch das Gemach, bis eine Kommode ihn aufhielt.
    »Was habt Ihr in der Einöde getan?«
    »Ich habe auf meiner Harfe gespielt. Dort konnte ich jenen tiefen Ton anschlagen, den, der Stein zertrümmert.«
    Er hörte seine eigene Stimme wie aus weiter Ferne und war erstaunt, daß er vernünftig sprechen konnte.
    »Wie habt Ihr Euch am Leben erhalten?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht war ich eine Zeitlang halb
    Wind. Ich hatte Angst zurückzukommen. Was soll ich mit solchen Kräften anfangen?«
    »Sie gebrauchen.«
    »Das wage ich nicht. Ich habe Macht über das Landrecht. Ich begehre diese Macht. Ich möchte sie gebrauchen. Aber ich habe kein Recht dazu. Das Landrecht ist das Erbe der Könige, das vom Erhabenen mit ihnen verbunden worden ist. Ich würde alles Recht und Gesetz zerstören. «
    »Vielleicht. Aber das Landrecht ist auch die reichste Quelle von Kraft im Reich. Wer anders als Ihr kann dem Erhabenen helfen?«
    »Er hat nicht um Hilfe gebeten. Bittet ein Berg um Hilfe? Oder ein Fluß? Sie existieren einfach. Wenn ich seine Macht anrühre, wird er mir vielleicht genug Aufmerksamkeit schenken, mich zu vernichten, oder aber - «
    »Morgon, setzt Ihr denn gar keine Hoffnung in die Sterne, die ich für Euch gemacht habe?«
    »Nein.« Seine Augen schlössen sich; gewaltsam riß er sie wieder auf, hätte weinen mögen vor Anstrengung. »Ich spreche nicht die Sprache des Steins«, flüsterte er. »Für ihn bin ich einfach irgendein lebendes Wesen. Er sieht nichts als drei Sterne, die emporsteigen aus zahllosen Jahrhunderten der Finsternis, in denen macht- und kraftlose Wesen, die Menschen genannt werden, der Ehre ihren Stempel aufzudrücken suchten, so oberflächlich, daß es ihn in seiner Ruhe kaum erschüttern konnte.«
    »Er gab Euch das Landrecht.«
    »Ich war ein Wesen, dem das Landrecht gegeben war. Jetzt bin ich ganz einfach ein Wesen, das nur noch in der Vergangenheit ein Schicksal hat. Nie wieder werde ich die Macht eines anderen Landherrschers anrühren.«
    Der Zauberer schwieg, die Augen ins Feuer gerichtet, das immer wieder vor Morgons Blicken verschwamm.
    »Seid Ihr so zornig mit dem Erhabenen?«
    »Wie kann ich mit einem Stein zornig sein?«
    »Die Erdherren haben alle Gestalten angenommen. Was macht Euch so sicher, daß der Erhabene die Gestalt aller Dinge
    angenommen hat, außer der der Menschen?«
    »Warum - « Er brach ab und starrte in die Flammen, bis sie die Schatten des Schlafes aus seinem Geist brannten und er wieder denken konnte. »Ihr wollt, daß ich meine eigenen Kräfte freisetze und auf das Reich loslasse.«
    Yrth antwortete nicht. Morgon blickte zu ihm auf und gab ihm das Bild seines eigenen schroffen, uralten, mächtigen Gesichts zurück. Wieder spülte das Feuer über seine Gedanken. Zum erstenmal sah er plötzlich nicht das finstere Gesicht des Windes, der die Sprache der Steine sprach und den er für den Erhabenen gehalten hatte, sondern etwas Verfolgtes, Angreifbares, Gefährdetes, dessen Schweigen die einzige Waffe war, die es besaß. Der Gedanke bannte ihn in staunende Verwunderung. Langsam wurde er der Stille gewahr, die sich zwischen seiner Frage und der Antwort auf sie aufbaute.
    Er hielt den Atem an und lauschte der Stille, die ihn auf seltsame Art bedrängte wie eine Erinnerung an etwas, das ihm einmal lieb und teuer gewesen war. Die Hände des Zauberers wandten sich ein wenig zum Licht und schlössen sich

Weitere Kostenlose Bücher