Erdzauber 03 - Harfner im Wind
plötzliche Weichheit seiner Züge beim Klang ihrer Stimme ließ Morgon beim Häuten innehalten.
»Ein wenig.«
»Könnt Ihr es mich lehren? Müssen wir denn den ganzen Weg nach Herun als Krähen fliegen?«
»Wenn Ihr es wollt. Ich glaubte, da Ihr aus An stammt, würdet Ihr Euch als Krähe am wohlsten fühlen.«
»Nein«, widersprach sie. »Ich bin jetzt in vielen Gestalten zu Hause. Aber es war gut von Euch, daran zu denken.«
»Was für Gestalten sind Euch vertraut?«
»Oh - Vögel, ein Baum, ein Lachs, ein Dachs, ein Reh, eine Fledermaus, eine Vesta - ich habe über meiner Suche nach Morgon längst aufgehört zu zählen.«
»Ihr habt ihn stets gefunden.«
»Ihr auch.«
Zerstreut suchte Yrth auf der Erde um sich herum nach Astgabeln, die den Spieß halten sollten.
»Ja.«
»Ich habe mich auch schon in einen Hasen verwandelt.«
»Der Hase ist ein Beutetier des Falken und des Habichts. Für den, der die Gestalt wandelt, gelten die Gesetze der Erde.«
Morgon warf Haut und Abfälle ins Farnkraut und griff nach dem Spieß.
»Und die Gesetze des Reiches?« fragte er unvermittelt. »Sind sie einem Erdherrn ohne Bedeutung?«
Der Zauberer saß ganz still. Etwas von der erbarmungslosen Kraft des Falken schien sich hinter seinen Augen zu rühren, und Morgon wurde sich der Leichtfertigkeit seiner Herausforderung bewußt. Er wandte sich ab.
»Nicht allen«, antwortete Yrth rätselhaft.
Morgon hängte den Spieß über das Feuer und drehte probeweise den Hasen. Dann ging ihm plötzlich die Zweideutigkeit der Worte des Zauberers auf. Er hockte sich auf seine Fersen und starrte Yrth an. Doch Rendel sprach jetzt mit ihm, und der Ton des Schmerzes, der in ihrer Stimme lag, ließ ihn schweigen.
»Warum denn, glaubt Ihr, kämpfen meine Verwandten auf der Ebene der Winde gegen den Erhabenen? Ich meine, wenn Macht eine einfache Angelegenheit des Wissens um Regen und Feuer ist, und wenn die Gesetze, denen sie verbunden sind, die Gesetze der Erde sind?«
Yrth schwieg wieder. Die Sonne war jetzt endgültig hinter dicken Wolken im Westen verschwunden. Ein Schleier aus Abend und Dunst sank langsam auf sie herab. Yrth streckte den Arm aus, tastete nach dem Spieß und drehte ihn langsam.
»Ich würde annehmen«, meinte er, »daß Morgon recht hat, wenn er vermutet, daß der Erhabene die Kräfte der Erdherren gefesselt hat. Das allein ist Grund genug für sie, gegen ihn zu kämpfen. Doch viele andere Rätsel scheinen mir unter diesem einen Rätsel zu liegen. Vor Jahrhunderten zogen mich die steinernen Kinder in Isig durch die Ausstrahlung ihres Schmerzes, den ich spürte, in ihre Gruft hinunter. Man hatte ihnen ihre Macht genommen. Kinder sind Erben der Macht; vielleicht ist das der Grund, weshalb sie zerstört wurden.«
»Wartet!« Morgons Stimme zitterte. »Wollt Ihr sagen - wollt Ihr sagen, daß der Erbe des Erhabenen in jener Gruft begraben wurde?«
»Es scheint möglich, findet Ihr nicht?« Fett spritzte knisternd im Feuer, und er drehte den Spieß wieder. »Vielleicht war es der Knabe, der mir von den Sternen sprach, die ich auf eine Harfe setzen sollte, und von einem Schwert für einen, der irgendwann in ferner Zukunft kommen würde, es für sich zu beanspruchen.«
»Aber warum?« flüsterte Rendel, noch immer in ihrer Frage gefangen. »Warum?«
»Ihr habt den Flug des Falken gesehen - seine Schönheit und seine todbringende Erbarmungslosigkeit. Wenn solche Macht an kein Gesetz gebunden wäre, dann würden diese Macht und das Gelüst danach so schrecklich werden - «
»Ich verlange nach ihr. Nach dieser Macht.«
Das harte, alte Gesicht schmolz wieder zu überraschender
Weichheit. Yrth berührte sie so, wie er den Grashalm berührt hatte.
»Dann nehmt sie Euch.«
Er ließ seine Hand fallen. Rendel senkte den Kopf. Morgon konnte ihre Züge nicht sehen. Er hob den Arm, um ihr das Haar aus dem Gesicht zu streichen. Mit einer heftigen Bewegung stand sie auf und wandte sich von ihm ab. Er blickte ihr nach, als sie durch die Bäume lief, die Arme über ihrer Brust gekreuzt, als wäre ihr kalt. Ein tiefer Schmerz brannte plötzlich in ihm, weil der Zauberer sie berührt hatte und sie ihn verlassen hatte.
»Ihr habt mir nichts gelassen.« flüsterte er.
»Morgon - «
Er stand auf und folgte Rendel in das dichter werdende Wogen des abendlichen Nebels, ließ den Falken mit seiner Beute allein.
In den folgenden Tagen flogen sie manchmal als Krähen, manchmal, wenn der Himmel aufklarte, als Falken. Zwei der Falken
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