Erdzauber 03 - Harfner im Wind
die Klinge seines Schwertes im Gras. Nachdem er es wieder in einer Scheide, die es gar nicht gab, hatte verschwinden lassen, hockte er sich am Feuer nieder.
»Also gut«, sagte er. »Instinkt.« Er nahm Rendels Pilze und machte sich daran, den Fisch zu füllen. »Aber das erklärt nicht Eure Reise nach Hed.«
»Wie weit könnt Ihr an einem Tag reisen?«
»Vielleicht quer durch Ymris. Ich weiß es nicht. Ich bewege mich nicht gern von einem Moment zum anderen über lange Entfernungen. Das macht müde, und man weiß nie, wessen Geist man versehentlich berührt.«
»Nun«, meinte der Zauberer ruhig, »ich hatte keine Wahl. Ich wollte vermeiden, daß Ihr Euch aus dem geistigen Bann herauskämpft, ehe ich zurückkehrte.«
»Das hätte ich gar nicht gekonnt - « »Doch, Ihr besitzt die Kräfte dazu. Ihr könnt im Dunkeln sehen.«
Morgon starrte ihn wortlos an. Ein Schauder kroch über seine Haut.
»Das war es also?« flüsterte er. »Eine Erinnerung?«
»Die Finsternis von Isig.«
»Oder vom Erlenstern-Berg.«
»Ja. So einfach war es.«
»Einfach.« Hars Bitte fiel ihm ein, und er atmete lautlos, bis der Schmerz und der wirre Knoten von Worten in seiner Brust sich lösten. Er wickelte den Fisch in feuchte Blätter, schob den Stein ins Feuer. »Nichts ist einfach.«
Die Finger des Zauberers zeichneten die gebogenen Linien eines Grashalms bis zu seiner Spitze nach.
»Doch, manche Dinge sind es. Die Nacht. Das Feuer. Ein Grashalm. Wenn man seine Hand in eine Flamme hält und an den Schmerz denkt, dann verbrennt man sich. Wenn man aber nur an die Flamme denkt oder an die Nacht, sie annimmt, ohne sich zu erinnern. Dann wird es sehr einfach.«
»Ich kann nicht vergessen.«
Der Zauberer schwieg.
Als der Fisch langsam zu brutzeln begann, setzte der Regen wieder ein. Sie aßen hastig und verwandelten sich wieder, flogen durch den strömenden Regen, um’ in den Bäumen Schutz zu suchen.
Zwei Tage später überquerten sie die Öse und nahmen am Ufer des unbändigen Flusses wieder ihre natürliche Gestalt an. Es war später Nachmittag. Licht und Schatten jagten sich unter dem regennassen, hellen Himmel auf ihren Gesichtern. Ein wenig verwundert blickten sie einander an, als wären sie überrascht, sich in Menschengestalt zu sehen.
Rendel ließ sich mit einem Seufzer auf einen umgestürzten Baumstamm fallen.
»Ich kann mich überhaupt riicht mehr bewegen«, stöhnte sie. »Ich bin es so müde, eine Krähe zu sein. Bald werde ich auch noch das Reden vergessen.« »Ich gehe auf Jagd«, sagte Morgon, doch auch er machte keine Bewegung. Müdigkeit überschwemmte ihn wie Wasser.
»Ich gehe auf Jagd«, erklärte Yrth, und ehe einer von ihnen etwas darauf erwidern konnte, hatte er sich wieder verwandelt.
Ein Falke stieg in die Luft hinauf, höher und höher, durch den Regen der trüben Sonne entgegen. Weit, weit über ihnen richtete er seinen Flug endlich in die Horizontale aus und begann zu kreisen.
»Wie macht er das?« flüsterte Morgon. »Wie kann erjagen, wenn er blind ist?«
Er unterdrückte einen plötzlichen Impuls, an die Seite des Falken emporzuschießen. Noch während er zusah, stieß der Falke in raschem, tödlichem Flug in die Schatten hinunter.
»Er ist wie ein Erdherr«, sagte Rendel, und ein merkwürdiger Schauder durchzuckte Morgon. Ihre Stimme klang so, als schmerzten sie die Worte, die sie ausgesprochen hatte. »Sie besitzen alle diese schreckliche Schönheit.«
Sie beobachtete den Vogel, wie er sich vom Boden emporschwang, schwarz und düster im plötzlich sich verdunkelnden Licht. Er hielt etwas in seinen Klauen. Schwerfällig stand sie auf und machte sich daran, Holz zu sammeln.
»Er braucht sicher einen Spieß.«
Morgon schälte die Rinde von einem jungen, dünnen Ast, während der Vogel zu ihnen zurückgeflogen kam. Er legte einen toten Hasen an Rendels Feuer ab.
Dann stand Yrth wieder vor ihnen. Einen Moment lang schienen seine Augen fremd, voller Klarheit und Wildheit des Raubvogels. Dann aber wurden sie wieder vertraut.
Morgon stellte seine Fragen tonlos, gedämpft.
»Ich witterte seine Furcht«, erklärte der Zauberer. Er zog ein Messer aus seinem Stiefel, ehe er sich setzte. »Wollt Ihr ihn häuten? Das würde mir Schwierigkeiten bereiten.«
Wortlos machte sich Morgon an die Arbeit. Rendel nahm den Spieß, um den Rest der Rinde abzuschälen.
»Könnt Ihr die Sprache der Falken sprechen?« fragte sie unvermittelt, beinahe scheu.
Das blinde Gesicht wandte sich ihr zu. Die
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