Erfindergeist
Aber nachdem Sie heute Abend nicht im Labor aufgetaucht sind, war ich mir ganz sicher.«
Sie lachte wie eine Irre. Jetzt schwenkte sie die Waffe zu Jacques hinüber. »In Sie habe ich meine Hoffnungen gesetzt. Fast wäre es mir gelungen, Ihr Labor aufzuspüren. Ich wusste, dass es irgendwo in der Burg sein musste. Jetzt ist alles vorbei. Sie haben Ihre Erfindung zerstört, dafür werde ich nun Sie zerstören. Niemand wird mich, wenn man sie beide tot im See findet, verdächtigen. Ich werde auch in Zukunft meine Geschäfte mit dem Verein machen, das ist besser als gar nichts. Ich drücke jetzt ab, ich lasse Ihnen nicht mal mehr Zeit für ein Gebet.«
Jetzt konnte ich nur hoffen, dass Jutta gemäß meinen Instruktionen, die ich ihr vorhin im Pfalzgraf gab, handelte. Tatsächlich vernahm ich in dieser Sekunde das erlösende helle Pfeifen. Blut spritzte aus der rechten Hand von Hannah Kluwer, während sie um eine viertel Umdrehung nach links herumwirbelte, was wahrscheinlich an dem Impuls des Schusses lag, der sie soeben getroffen hatte.
Mehrere bewaffnete Beamte kamen auf uns zugerannt. Ihre Waffe war längst zu Boden gefallen. Zwei Beamte legten der Mörderin trotz ihrer Verletzung Handschellen an.
Jacques erholte sich langsam von dem Schreck. Zugegebenerweise hatte mich die Sache auch stark mitgenommen, ich versuchte, mir aber nichts anmerken zu lassen.
»Na, ist alles so gelaufen, wie du es dir gedacht hast, Reiner?«, sprach mich die herbeieilende Jutta an.
»War ein aufregendes Spiel«, sagte ich in Richtung Jacques. »Das wolltest du doch so, oder? Alles in Ordnung mit dir?«
Er nickte. »Danke, Reiner, das war knapp. Heißt das, dass du die ganze Zeit alles gewusst hast?«
»Nicht die Bohne. Erst heute Abend im Labor ist mir die Erleuchtung gekommen. Deswegen bat ich vorhin Jutta, uns heimlich zu folgen.«
Herr Schleicher trat zu uns. »Mein lieber Schwan, Herr Palzki. Mit Ihrem Job möchte ich wirklich nicht tauschen. Ich muss zugeben, wir hätten Sie gleich von Anfang an informieren sollen, dann wäre uns viel erspart geblieben.«
Während Hannah Kluwer abgeführt wurde, stand ich am Seeufer und dachte über die Ereignisse der letzten Stunden nach. Welch ein Glück hatte ich wieder einmal gehabt.
Allmählich bemerkte ich, wie die vielen Lichter der Parkbeleuchtung in Zeitlupentempo hochgefahren wurden. Auch die Gleise der GeForce wurden zusehends heller beleuchtet. Herr Schleicher kam auf mich zu, zeigte mit seiner Hand auf die Achterbahn und meinte nur: »Gehen wir?«
E N D E
Epilog
Zwei Wochen sind seit diesem Abenteuer vergangen. Zeit für ein kleines Resümee.
Hannah Kluwers Pistole konnte zweifelsfrei als die Tatwaffe aller drei Morde identifiziert werden. Wolf Berhardus hatte sie erschossen, weil er sich geweigert hatte, ihr und dem Verein bei der Suche nach dem geheimen Labor zu helfen. Seine Bemerkung, die Angelegenheit Herrn Schleicher mitteilen zu wollen, wurde ihm zum tödlichen Verhängnis.
Das Bundeskriminalamt prüft derzeit, ob Hannah Kluwer auch bei zwei weiteren ungeklärten Morden in Norddeutschland als Täterin infrage kommt. Vor ein paar Jahren, in unmittelbarer Nähe zu ihrer damaligen Wohnung, wurden dort mit derselben Waffe zwei Menschen erschossen. Gottfried Müller lebt in der Psychiatrie. Mittelfristig soll er an ein selbstständiges Leben ohne Einflussnahme seiner Mutter gewöhnt werden.
Der Verein ›Solarenergie forever‹ wurde von Amts wegen aufgelöst. Die dazugehörige GmbH befindet sich momentan unter Zwangsverwaltung. Da die Mehrheit der Gesellschaftsanteile der Umwelt-Partei Deutschland gehören, wird es noch einige Zeit dauern, bis über die endgültige Zukunft der Gesellschaft entschieden wird.
Al-Morany und sein Kollege wurden ausgewiesen. Petrow und Pawlow wurden zwei Tage später auf Kaution freigelassen. Seitdem sind sie spurlos verschwunden.
Der Parkchef, Herr Schleicher, tüftelt zusammen mit Jacques an neuen Attraktionen für den Park. Es würde mich nicht wundern, wenn die beiden spätestens zum Jubiläum des 40-jährigen Bestehens des Parks eine neue Weltsensation vorstellen.
Jacques’ Werkstatt soll im nächsten Frühjahr wieder aufgebaut werden. Bis dahin verlegt er seine Experimente in die Küche seines Wohnhauses. Wenn das mal gut geht.
An Dr. Hingstenberg, den Gerichtsmediziner, ging der Kelch der Kündigung vorüber. Das lag vor allem daran, dass er trotz seines jungen Alters bereits ein Meister seines Fachs war und
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