Erfindung der Violet Adams
Adams gestriger Fahrt in die Stadt, doch die Pferde machten einen ausgeruhten Eindruck, und der Kutscher, Antony, ein gut aussehender junger Mann, schien für die Fahrt bereit.
»Es geht nach London, Antony«, sagte Violet und sprang aufgeregt in die Kutsche.
»Ich weiß, Miss, ich werde Sie dorthin fahren«, antwortete Antony und nickte. Kurz darauf kam Ashton aus dem Haus geschlendert, viel zu langsam für Violets Geschmack. Beim Einsteigen winkte er Antony zu, dann konnte es endlich losgehen.
Die Fahrt nach London dauerte etwas länger als eine Stunde. Obwohl sie sehr aufgeregt war, war Violet klug genug, zumindest den Versuch zu unternehmen, sich in Geduld zu üben, auch wenn ihr gar nicht danach zumute war. Die meiste Zeit sah sie aus den Fenstern der Kutsche. Sie war zwar nicht so lyrisch veranlagt wie ihr Bruder, trotzdem hatte auch sie Sinn für die Schönheit der Natur. Sie freute sich an den ausladenden Bäumen und den sich durch die Landschaft schlängelnden Bächen, die friedlich vor sich hin plätscherten. Die wilden Blumen und die grünen Hügel, die an ihnen vorbeizogen, waren einfach herrlich. Violet genoss die Aussicht in vollen Zügen.
»Was hast du für heute geplant?«, fragte sie ihren Bruder. Er schaute aus dem Fenster und dichtete vermutlich gerade eine Ode an die Felder oder die Feldarbeiter.
»Ich statte unserem Stadthaus einen Besuch ab und sehe nach, ob wir noch etwas brauchen, bevor wir dort einziehen, da du Mrs Wilks gesagt hast, dass du das machst. Danach werde ich vielleicht ein Bier mit ein paar Freunden trinken, die noch in der Stadt sind.«
»Das klingt gut. Außer meine Bewerbung bei der Illyria-Akademie abzugeben, habe ich nichts vor, deshalb werde ich Antony bitten, mich durch die Stadt zu fahren, damit ich schon einmal ein Gefühl für London bekomme.«
»Wenn du ein Gefühl für London bekommen willst, solltest du besser zu Fuß gehen. Eine Kutschfahrt durch den Park ist schon schön, doch um London richtig zu erleben, musst du spazieren gehen, die kleinen Gässchen und Hinterhöfe erkunden und vielleicht eine Fahrt mit der unterirdischen Eisenbahn wagen.«
»Ich bin schon gespannt zu sehen, wie die Züge unter der Stadt funktionieren. Es geht das Gerücht um, dass der Duke von Illyria einen eigenen Bahnhof unter der Akademie hat, der aus einer mysteriösen Energiequelle gespeist wird.«
»Dass ich nicht lache«, sagte Ashton.
»Es mag lächerlich klingen, aber theoretisch ist es denkbar.«
»Ihr Wissenschaftler habt so einiges erfunden, das so aussieht, als könnte es eigentlich nicht funktionieren. Hat die von dir so verehrte Illyria-Akademie nicht gerade einen Elefanten in der Größe einer Hauskatze erschaffen?«
»Genau«, bestätigte Violet stolz.
»Und Babbages Rechenmaschinen können Muster vorhersehen, die dem menschlichen Auge verborgen sind?«
»Ja, schon, doch nur wenn der, der die Maschinen bedient, ein geübter Rechner ist. Man kann die Maschine nicht einfach fragen, wie viele Menschen nächstes Jahr in Cambridge geboren werden. Man muss schon wissen, was man tut. Und der Elefant von Illyria war eigentlich eine Hauskatze. Man hat ihr nur die Haut eines Elefanten transplantiert, und einen Rüssel und große Ohren. Sie hat sich schon noch wie eine Katze verhalten, ist herumgesprungen und hat ihren Kopf an allem, was ihr in die Quere kam, gerieben. Und trompetet hat sie nicht ein einziges Mal. Auch die Wissenschaft hat ihre Grenzen.«
»Das klingt ja schrecklich. Erzähl mir bloß nie mehr solche Geschichten.«
»Ich habe mich nie sonderlich für Biologie interessiert, aber nach allem, was man so hört, war die Katze ganz glücklich. Sie hatte großen Spaß daran, mit ihrem Rüssel zu spielen, als wäre er ein Bindfaden.« Ashton schüttelte sich, was Violet jedoch nicht davon abhielt, weiterzusprechen. »Außerdem haben sie ja nicht mit irgendeiner Katze experimentiert, diese Katze hatte schwere Verbrennungen erlitten und einen Großteil ihrer eigenen Haut verloren. Viele Biologen sind weniger zimperlich.«
»Da sind mir die mechanischen Singvögel, die man an den Straßenecken kaufen kann, doch lieber.«
»Wenn du einen mechanischen Singvogel willst, kann ich dir einen machen. Ich bin mir sicher, dass alles, was du an einer Straßenecke kaufst, spätestens nach vierzehn Tagen kaputt ist«, sagte Violet seufzend. Die Kutsche hatte die Außenbezirke von London erreicht, und sie konnten die hoch in den Himmel ragenden, mächtigen Gebäude sehen und
Weitere Kostenlose Bücher