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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Jacques Tüverlin. »Hallo!« rief er, tat, als sei niemals ein gewisser Abend in Pfaundlers Restaurant gewesen, an dem sie im Zorn von seinem Tisch aufgestanden und gegangen war. Lud sie ohne weiteres ein, mit ihm zu frühstücken. Johanna, auch sie jenes Abends mit keinem Wort gedenkend, nahm an. Fröhlich saß sie neben ihm, er blinzelte sie munter an mit seinen fast wimperlosen Augen. Einträchtig aßen sie jene Münchner Mahlzeit in der kleinen Frühstücksstube des Garmischer Eisplatzes zu Ende.
    Der Mann Hessreiter mochte seine Vorzüge haben; aber es war an ihm etwas Undurchsichtiges, Trübes, gegen das sie sich wehrte, dazu die säuerlich widerwärtige Erinnerung an seine Fabrik. Wenn sie in das nackte, spaßhafte Gesicht Tüverlins blickte, wenn sie seinen lockeren, fettlosen Körper sah, seine knochigen, rötlich behaarten Hände, dann konnte sie reden ohne Vorbehalt. Hier war ein ausgelüfteter, richtigerMensch, mit dem man sich verstand ohne lange Umschweife. Es war gut, nach so langer Zeit neben ihm zu sitzen, sie spürte sich zu ihm gehörig.
    Er habe sich mit manchen kleinen Unannehmlichkeiten herumzuschlagen, erzählte er, während er mit gutem Appetit aß und behaglich in die Sonne blinzelte. Es gab Streitigkeiten zwischen seinem Bruder und ihm über seinen Anteil an dem Genfer Hotel, das sie geerbt hatten. Er wurde von seinem Bruder offenkundig übers Ohr gehauen. Wahrscheinlich wird er nicht weiter mehr so unbekümmert um Finanzdinge hinleben können wie bisher. Doch schien ihm das wenig Sorge zu machen. Vorläufig wohnte er in einem kleinen Haus oben im Wald. Er fuhr oft herunter, auf Schneeschuhen, auch des Abends im Smoking oder im Frack, die Lackschuhe über der Schulter. Er erzählte mit seiner hellen, gequetschten Stimme, ohne lamentierende Anmerkung, trank mit Genuß seinen Wermut. Johannas entschiedene, graue Augen schauten ihn mit herzhafter Fröhlichkeit auf und ab. Sie gefiel ihm sehr, und er sagte es ihr.
    Später betätigte sich der Schriftsteller Tüverlin intensiv auf der Übungswiese am Hocheck. Er stand sicher auf seinen Schneeschuhen und fuhr gut, doch willkürlich. Jetzt bemühte er sich, Stil in seine Fahrerei zu bringen, die Vorteile der Arlbergschule zu begreifen, die er nicht kannte. Eifrig debattierte er mit dem Skilehrer, geduldig, fröhlich, man hörte sein gequetschtes Lachen immer wieder über das weite Schneefeld. Niemand war vergnügter über seine vielen Stürze als er selber.
    Johanna fühlte sich wohl. Odelsberg lag hinter ihr. Hinter ihr der klemmend dumpfe Martin Krüger, der fanatische Dr. Geyer. Der trübe, nie greifbare Herr Hessreiter schaute sie vorwurfsvoll aus seinen schleierigen Augen an; sie hatte kaum Zeit für ihn. Sie machte Skitouren mit Jacques Tüverlin, ging mit ihm in »Die Puderdose«, besuchte ihn in seinem kleinen Haus am Wald, war oft zum Mißfallen der Tante Ametsrieder auch bei den Mahlzeiten im Hotel mit ihm zusammen. Sie redeten miteinander viel und offen. DochJohanna sprach nicht von dem Fall Krüger; auch daß sie den Mann Krüger geheiratet hatte, erwähnte sie nicht, und sie wußte nicht, ob er davon gelesen hatte.
19
David spielt vor König Saul
    Der Ingenieur Kaspar Pröckl stapfte unwirsch, unrasiert, mit wenig geeigneten Schuhen, durch den aus Regen, Schnee und Schmutz gebildeten Matsch auf der Hauptstraße des Winterkurorts Garmisch-Partenkirchen. Die Zeitungen übertrieben nicht; dieser faule, luxuriöse Ort inmitten der eiternden allgemeinen Not war ein Ärgernis. Er war am Nachmittag hergefahren, ziemlich mühsam auf glitschenden, aufgeweichten Straßen, durch schmelzenden Schnee. Er hatte auch eine kleine, lächerliche Panne gehabt, sie in Weilheim beheben lassen und sich bei dieser Gelegenheit mit dem Mechaniker wüst herumgestritten. Hätte nicht die Mundart besänftigend gewirkt, dann hätte es der Weilheimer dem finster und befremdlich ausschauenden Menschen mit seinem knochigen, unbayrischen Gesicht gezeigt.
    Es war ein Blödsinn, daß er herausgefahren war. Der Direktor Otto in den Bayrischen Kraftfahrzeugwerken hatte ihm, etwas säuerlich, gesagt, der Baron Reindl wünsche ihn zu sprechen und bitte ihn, gelegentlich nach Garmisch zu kommen, ins Palace-Hotel, wo er für etwa acht bis zehn Tage abgestiegen sei. Mußte er da gleich herfahren wie ein Hund auf den Pfiff, wie irgendein Arschkriecher? Finster, in seinem verwahrlosten Aufzug sehr befremdlich, stapfte er durch den frühen Abend des elegant behaglichen Kurorts.

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