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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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legitimiert?«, an sein albernes Blinzeln, an ihre prompte Erwiderung: »Ich werde ihn heiraten.« Sie versuchte sich vorzustellen das Gesicht Jacques Tüverlins, der Tante Ametsrieder, der Leute im Palace-Hotel in Garmisch, wenn sie ihre Heirat in den Zeitungen lesen. »Ich glaube, da habe ich eine Dummheit gemacht«, sagte sie sich mehrere Male, die drei senkrechten Falten über der Nase. »Ich glaube, da habe ich eine Mordsdummheit gemacht«, sagte sie schließlich gegen ihre Gewohnheit laut vor sich hin.
    In den nächsten zwei Tagen wies sie mehrere Aufträge eigentlich grundlos ab, beschäftigte sich unlustig mit theoretischen Dingen. Es kam ihr gelegen, als Herr Hessreiter sie ein zweites Mal aufforderte, seine Fabrik zu besichtigen.
    Die Süddeutschen Keramiken Ludwig Hessreiter & Sohn lagen in einem Vorort, ein großes, rotes, häßliches Gebäude. Herr Hessreiter führte Johanna in die Zeichensäle, die Büros, die Maschinenräume, die Werkstätten. Es arbeiteten aber in Herrn Hessreiters Fabrik zumeist Mädchen, viele kümmerliche Fünfzehn- und Siebzehnjährige. Das ganze, große Gebäude war erfüllt von säuerlichem Geruch. In den Arbeitsräumen haftete der säuerliche Geruch so dumpf und stark, daß Johanna sich fragte, wie diese Menschen ihn je aus Kleidernund Haut herauskriegen könnten. Herr Hessreiter, während des Rundgangs, schwatzte, er hatte seinen Pelz nicht abgelegt, trotzdem es heiß war, er machte muntere Bemerkungen. Seine Arbeiter mochten ihn. Er sprach mit ihnen in ihrer Mundart, überflüssiges Zeug; sie ließen sich gerne stören, waren, vor allem die Mädchen, keineswegs feindselig. In den Büros hingegen schien Herr Hessreiter weniger willkommen; hier atmete, wenn sich der Chef und seine Besucherin zum Gehen anschickten, das Personal geradezu unhöflich auf.
    Zuletzt zeigte Herr Hessreiter Johanna die Lagerräume. Es waren hier gestapelte Kunstwerke, die meisten für das Ausland bestimmt: Mädchen, mit Krügen aus Wasserquellen schöpfend, Hirsche und Rehe, Zwerge mit riesigen Bärten, Kleeblätter in ungeheuren Dimensionen, nackte, keusche, libellenflüglige Jungfrauen darauf, lebensgroße Störche mit Höhlen, die als Blumenkästen dienen sollten, gigantische rot und weiße Fliegenpilze. Jede einzelne Figur in Hunderten, in Tausenden von Exemplaren, eine ungeheure Ansammlung, säuerlichen Geruch ausströmend. Johanna schaute um sich, schnüffelte unbehaglich, Anblick und Geruch verschlug ihr die Sprache, ein peinliches Gefühl kroch ihr den Magen hinauf. Herr Hessreiter redete darauflos, machte sich lustig über alles, stellte ihr vor, wie hübsch sich diese Dinge in den Wohnräumen irgendeines kleinstädtischen Antipoden ausnehmen würden, im Garten eines amerikanischen Farmers, zwischen farbigen Glaskugeln. Mit seinem Elfenbeinstock bezeichnete er den oder jenen Gegenstand. Seine Bemerkungen waren voll guten Humors, Martin Krüger hätte sich nicht saftiger über diese Bildnerei lustig machen können.
    Johanna, nach der Schau, wollte zurückfahren, aber Hessreiter ließ es nicht zu. Er mußte ihr erst noch eine Reihe von Skizzen zeigen, kühne Entwürfe, von einem jungen, unbekannten Künstler, eine Serie »Stiergefecht« besonders. Technisch seien diese Dinge nicht einfach herzustellen, erklärte er. Geschäft sei bestimmt keines damit zu machen. Aber erwurde warm, während er ihr darlegte, was ihm an den Entwürfen gefalle. Er erklärte nachdrücklich, er werde diesen jungen Bildhauer durchsetzen. Es sei schade, daß man auf neunundneunzig Kitschdinge höchstens einmal eine solche Sache steigen lassen könne. Johanna war schweigsam, auch während der Heimfahrt hatte sie nur wenige, gleichgültige Sätze. Sie konnte das riesige Gebäude mit seiner dumpfigen, den Atem benehmenden Luft und seiner verlogenen Bildnerei nicht so heiter nehmen wie Herr Hessreiter; wahrscheinlich fehlte ihr der Humor dafür. Etwas von der säuerlichen Luft seiner Fabrik blieb an Herrn Hessreiter haften.
    Sie war froh, als sie bei ihrer Heimkehr ein Telegramm Dr. Pfisterers vorfand, der Kronprinz Maximilian werde in den nächsten Tagen in Garmisch erwartet, sie möge die Gelegenheit nicht versäumen. Sie fuhr noch am gleichen Tag. Kam am Abend an, hatte eine kurze, derbe Auseinandersetzung mit der Tante Ametsrieder, die ihre Heirat aus der Zeitung erfahren hatte, aß allein auf ihrem Zimmer.
    Andern Morgens, auf dem Eisplatz, sie hatte, ohne große Kunstfertigkeit, Freude am Schlittschuhlaufen, traf sie

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