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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Gott war auch kein Verlaß, und der geistliche Herr konnte ihm nicht sagen, wie er sich verhalten, ob er das Kommoderl hergeben sollte oder nicht. Eine halbe Million war viel Geld. Wenn er schon kein Glück hatte mit seinen Kindern, das gelbe Haus wenigstens mußte der Herrgott ihm gönnen. Auf das gelbe Haus ist er scharf, das muß er kriegen. Hinaufkommen muß er. Wenn es jetzt wieder nichts wird, das wäre ja noch schöner. Fast drohend schaute er zu dem derben, mächtigen Bauernkruzifix hinauf, das neben dem Schrein hing. Hausbesitzer muß er werden, und das gelbe Haus in der Barerstraße muß es sein. Der Pernreuther, der jetzige Besitzer, war ein Geizhals, ein ausgeschämter; aber eine halbe Million, da sagt er nicht nein. Der Lechner hat sich heute, bevor er zu dem Holländer ging, das gelbe Haus wieder angeschaut. Hingestellt hat er sich davor, lange, hat die Mauern beklopft, das alte, bronzene Torschild befühlt. Ist die niedrigen Treppen hinaufgestiegen, das Geländer streichelnd, hat die Namenschilder der Mieter angeschaut, vier aus Porzellan, zwei aus Email, zwei aus Messing, sehr genau, wie er sich seinerzeit die Dinge anschaute, die er photographieren wollte.
    Der alternde Mann, nächtlicherweile in dem hellen Laden vor dem Schrein stehend, in Pantoffeln und rehbraunem Überzieher, spürte den scharfen Frost. Dennoch zögerte er, das Licht auszuschalten. Er kraute sich den rotblonden Schläfenbart, schaute auf den Schrein, die wasserblauen Augen grimmig, wunderlich nach innen gestellt. Morgen abend wird er dastehen in dem Laden am Unteranger, aber das Kommoderl wird nicht dastehen. Das war ein recht fader Gedanke. Häuser gab es viele auf der Welt, zweiundfünfzigtausend Häuser gab es in der Stadt München; aber das Kommoderl war allein, das gab es nur einmal. »Der Holländer, der damische, der hundshäuterne!« schimpfte er seufzend vor sich hin, während er in die warme Stube ging.
    Er hockte wieder in dem großen Ohrenstuhl, erwog noch einmal und ein drittes Mal, was er schon erwogen hatte.Wenn er jetzt das Kommoderl verkitschte, dann stand er da. Aber wenn er es nicht verkitschte, dann stand er auch da. Er dachte: ja, ja, und daß es ein schwerer Entschluß sei und so wenig Zeit. Morgen in aller Frühe muß er zu dem Holländer gehen oder auf seine Träume mit dem gelben Haus verzichten. Er dachte, daß Morgenstund Gold im Mund habe und daß es keine zweite solche Gelegenheit gebe hochzukommen und daß er nicht mehr der Jüngste sei. Auch daß, wer den Pfennig nicht ehre, des Talers nicht wert sei. Er sah sich, wie er vor die Mieter des gelben Hauses hintritt in seinem schwarzen, dickstoffigen Rock, sich ihnen als der neue Hauswirt vorzustellen. Dann, wie er seinem Kegelklub »Die Grüabigen« den Hauskauf mitteilen wird. Sie werden ihn derblecken, aber fuchsen werden sie sich doch, rauchen wird er ihnen, stinken wird er ihnen, sehr beneiden werden sie ihn.
    Der Altmöbelhändler Cajetan Lechner stand auf, ächzend, zog sich an. Das hatte man von seinen Kindern. In die kalte Winternacht hinaus mußte man, wollte man eine Ansprache haben. Er ging in seinen Kegelklub, mit dem Vorsatz, das mit dem Schrankerl und mit dem Hauskauf für sich zu behalten; denn wenn er es den Grüabigen sagt, werden sie ihn doch nur frotzeln.
    Dann sagte er es ihnen, und sie frotzelten ihn.
    Er trank ziemlich viel an diesem Abend, und auf dem Rückweg schimpfte er mächtig auf seinen Buben, den Beni, den Bazi, den roten Hund. Als er dann in den Flur seiner Wohnung kam, hörte er die Atemzüge des schlafenden Beni. Er machte das Licht nicht an, zog, obwohl ziemlich betrunken, die Gummizugstiefel aus, um den Buben nicht zu wecken, schlich behutsam ins Bett. Aus seinem kropfigen Hals, so leise es ging, schon halb im Schlaf, brummte er vor sich hin die verblichene Melodie des Liedes: »Alte, sei gscheit.«
18
Eine keramische Fabrik
    Johanna, in München, nach der Verheiratung mit dem Manne Krüger, versuchte sich wieder mit Dingen ihres Berufs abzugeben. In Garmisch ab und zu hatte sie brennende Lust verspürt, vor ihrem Apparat zu sitzen, wartend auf jenen gefürchtet-ersehnten Moment, da aus den Schriftzügen das Bild des Schreibenden herausspringt. Aber jetzt in dem gewohnten Zimmer, die Dinge ihres Arbeitstages um sich, Schreibtisch, Maschine, die Bücher ihrer Wissenschaft, fand sie alles leer und öde, sich selber am meisten. Sie erinnerte sich an die aufreizende Stimme Geyers, als er sie fragte: »Ja, wodurch sind Sie

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