Erfolg
Schrein ins Hotel, oder das Geschäft sei gescheitert.
Es war sehr still in dem nächtlichen Laden und sehr kalt. Cajetan Lechner merkte es nicht. Er hatte alle Birnen eingeschaltet, daß der Schrein gut im Licht stand, säuberte sich umständlich die roten, rissigen Hände, streichelte den Schrein.Eine halbe Million war viel Geld. Aber auch der Schrein war eine feine Sache. Eigentlich um ihn hatte sich ja das ganze Leben des Cajetan Lechner herumgebaut. Er dachte daran, wie er seine Existenz auf die Kunst hatte stellen wollen, auf seine Photographiererei. Sein Ehrgeiz hatte sich damals nicht begnügt, große Brocken zu photographieren, Möbel, Gesichter: nein, gerade das Kleine wiederzugeben, einen Maßkrug, eine Käfersammlung, Gelump mit Herz hatte der Kunstmaler Lenbach es geheißen, das war sein Traum. An solchen Dingen hatte er herumgemurkst und keine Ruhe gegeben, bis er sie so weit hatte, daß sich ihre kleinen, das Gemüt ansprechenden Eigenschaften dem Beschauer recht im Licht unverlierbar präsentierten. Und daß er nicht auf diese Kunstfertigkeit sein Leben stellte, daß er sie aufgab, daran war der Schrein schuld.
Er hatte ihn aufgestöbert, ein halbes Jahr etwa, nachdem er auf die Rosa Hueber gestoßen war, ein einsilbiges Mädchen, fromm katholisch, von kernigen Ansichten, durch Umgang mit Gästen der verschiedensten Schichten und Temperamente mit dem praktischen Leben wohl vertraut. Ein rechtes Trumm Weib. Jedes Wort von ihr saß. Mit ihr einen Hausstand zu gründen war von ihrer ersten Begegnung an Cajetan Lechners Ziel. Der Widerstand der Rosa, die nur einen gestellten Mann heiraten wollte und voll Mißtrauen war gegen Lechners künstlerische Pläne, verstärkte nur seine bäurisch-bayrische Zähigkeit. Wohl ging sie mit ihm und hatte ihn ohne Frage gern. Mit Wehmut erinnerte er sich der schönen Morgen im »Chinesischen Turm«, einem sonderbaren Restaurant im Englischen Garten. Wie er sie dort herumschwenkte unter gemütlichem, kleinbürgerlichem Volk, Dienstmädchen, Kutschern, Näherinnen, Hausknechten, Briefträgern, die, bevor sie in die Messe gingen, in der grünen Frühe zu derber Blechmusik tanzten. Gern war die Rosa mit ihm zu solchen und ähnlichen Vergnügungen gegangen; doch für eine Heirat war sie, ehe der Cajetan auf etwas Sicherem stand, nicht zu haben gewesen. So war die Lage, als Cajetan auf der Auer Dult unterGerümpel und wertlosem Kraut das Kommoderl eräugte. Er hatte damals noch ein starkes Herz; aber leicht war es nicht gewesen, seine Freude, damit die Tandlerin nichts spanne, zu verstecken. Wie dann das Kommoderl richtig in seinem Zimmer stand, sein Eigentum, und wie gleich ein Antiquitätenjud kam und ihm achthundert Mark dafür bot, da gingen endlich der Rosa die Augen auf, was sie an ihm hatte. Sie nahm ihn, steckte ihr Erspartes in den Laden am Unteranger, und er sagte: »Pfüat di Gott, Kunst.«
Oft seither war die Versuchung an ihn herangetreten, den Schrein zu veräußern: aber er widerstand, hielt ihn für einen Glücksbringer. Ringsum die Muttergottesstatuen, Riegelhauben, die Truhen, Sessel, alten Uniformen wechselten; doch fein und eine Freude der Kenner stand unveränderlich der alte Schrein in dem Laden. Schließlich starb die Rosa. Vielleicht, dachte er jetzt, war es gut, daß sie hin war und die letzten Jahre nicht mehr erlebt hatte. Nicht das elende Fressen und das noch miserablere Bier der Kriegszeit, nicht das saudumme Gschpusi der Anni mit dem Schlawiner und vor allem nicht den Tanz mit dem Buben.
Ein Saustall war das. Dem Lechner, wenn er an die blöde Hatz dachte, die sie damals mit dem Buben angestellt hatten, verdunkelte sich das Metall des Schreins, verschmutzte sein Holz. Der Cajetan Lechner war konservativ, war für Ruhe und Ordnung; aber das war klar wie Kletzenbrühe, daß die »Rote Sieben« bloß verklagt war, weil die Regierung Material brauchte für die Beibehaltung ihrer Einwohnerwehr. Darum mußte ihm sein Beni zum Zuchthäusler gemacht werden. Der Cajetan war ein lauer Katholik gewesen ursprünglich; eigentlich war es mehr wegen der Rosa, daß er in die Kirche ging. »Alte, sei gscheit«, pflegte er, wenn sie es mit ihrer Frömmigkeit gar zu wichtig hatte, den Refrain eines gutmütigen Volkslieds aus seinem zunehmend kropfigeren Hals zu brummen, die Rosa gemütlich vor den Hintern stoßend. Nach der Verurteilung des Buben, trotzdem ihm der geistliche Herr den Beni herausgeholt hatte, ging es mit seinemChristentum ganz bergab. Nein, auf
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