Erfolg
beglückt zu: er, der Balthasar Hierl, der gescheite Tüverlin, das konnte ein Mordstrumm von einer Revue werden. Damit könnte man die Berliner an die Wand drücken. Tüverlin dachte an so was wie »Kasperl im Klassenkampf«. Das behagte Herrn Pfaundler wenig; er dachte eher an so was wie »Höher geht’s nimmer«, was er vornehmlich auf die Kostüme der Frauen bezogen wissen wollte. Aber er hatte Erfahrung, Künstler wollten vorsichtig behandelt sein; er schlug also vor eine Revue mit beiden Titeln »Kasperl im Klassenkampf oder Höher geht’s nimmer«, damit rechnend, daß es seiner Zähigkeit und Beharrlichkeit allmählich gelingen werde, das Kasperl-im-Klassenkampf-Motiv zu eliminieren. Er bestellte einen zweiten Wermut, einen dritten, nicht für sich. Er versuchte Tüverlin auf das Geleis seiner Wünsche zu lenken. Tüverlin, ihn durchschauend,knetete konziliant diese Wünsche mit in seinen Teig. Verließ die Konditorei »Alpenrose« in Gesellschaft des Unternehmers Pfaundler, gewillt, die Revue zu schreiben.
Johanna, die sich währenddes zur Freude Hessreiters ungewohnt herzlich und aufgetan mit ihm unterhalten hatte, schaute den beiden nach, wurde wieder schweigsam.
22
Der Chauffeur Ratzenberger im Fegefeuer
In diesen Wintertagen, während der Kurs des Dollars an der Berliner Börse von 186,75 auf 220 stieg, begann das Geständnis des toten Chauffeurs Ratzenberger, er habe im Prozeß Krüger gegen die Wahrheit geschworen, Kreise zu ziehen. Der tote Chauffeur nämlich, trotzdem sich das herrliche Denkmal über seinem Grab erheben sollte, fand keine Ruhe. Mehrmals im Traum erschien der Unselige seiner Witwe Crescentia. Die Witwe Crescentia Ratzenberger stammte aus einem ländlichen Bezirk; sie hatte oft in starken Bildern über das Fegefeuer predigen hören, auch Schilderungen gesehen, in denen Sünder, im Fegefeuer bratend, anschaulich dargestellt waren. Aber nicht in der Art solcher Bilder, Haare, Wimpern, Schnauzbart versengt, mit brutzelndem Fett, die rosige Haut überdeckt mit Blasen, erschien ihr der tote Franz Xaver. Vielmehr zeigte er sich weit unheimlicher mitten in den Flammen unversehrt, doch immer mit gleichen jammervoll ausgestreckten, wächsern rosigen Händen. Und mit leiser, gläserner, unnatürlicher Stimme barmte, winselte er, er habe einen Meineid geschworen damals und müsse jetzt so lange in Flammen und Schwefel sich läutern, bis sein falsches Zeugnis aus der Welt sei.
Die Witwe Crescentia lag kalt übergossen von Schweiß, in schwerer Herzensnot. Wem konnte sie sich anvertrauen? Ihre vierzehnjährige Tochter Kathi war gutmütig, sanft, lachte gern; selig war sie, wenn man sie ans Wasser führte, siekonnte stundenlang mit freundlich idiotischem Grinsen die grüne Isar anschauen, in die seinerzeit einmal ihr Vater mit dem Ruf »Adieu, schöne Gegend« hineingesprungen war. Aber sie war geistig nicht recht beisammen, war spinnert und keinesfalls geeignet, die seelischen Nöte der Witwe Crescentia in Ohren und Herz aufzunehmen. Auch der Bub, der Ludwig, hatte keinen Sinn für den Kummer seiner Mutter. Er war ein großer Herr geworden; der Rupert Kutzner, der Führer der Wahrhaft Deutschen, dem jetzt seine immer fetter werdende Partei ein Auto stellte, hatte den gutaussehenden, strammen Jungen zu seinem Chauffeur gemacht. Da saß er am Steuer, der Bub, wenn der graue Wagen, den die ganze Stadt kannte, auf Rupert Kutzner wartete. Ein Abglanz seines großes Meisters fiel auf ihn, reglos unter den Blicken der Menge saß er, durchwärmt von seiner und seines Führers Bedeutung. Er teilte zwar noch die Wohnung mit seiner Mutter, aber wenn sie zaghaft von ihrem Kummer anfing, wies er sie, erfüllt von der Sendung und dem heroischen Martyrium seines Vaters, mit barschen Worten zurück, erklärte, die Ränke der Gegner, die schweinischen Verleumdungen der Juden und Jesuiten hätten sie narrisch gemacht. Ihre Gesichte bezeichnete er kurzerhand als saublöden Schmarren. Der geistliche Herr sagte ihr Ähnliches, gebrauchte nur als höflicher, gebildeten Mann statt des volkstümlichen Ausdrucks Schmarren die wissenschaftliche Bezeichnung Halluzination . Er hieß sie eine Vermessene, weil sie sich für begnadet halte, fragte, ob sie vielleicht gescheiter sei als er, und erklärte herrisch, abschließend, Messen genügten.
Allein der geistliche Herr irrte. Messen genügten nicht. Der Chauffeur Ratzenberger im Fegefeuer kam nicht zur Ruhe. Schrecken erregend in seinen Flammen erschien er, immer
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