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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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öfter, unversehrt, eine rosige Wachspuppe, wiederholte mit gläserner, unnatürlicher Stimme immer das gleiche, nannte seine Witwe wohl auch eine dumme Gans, und aus dem Fegefeuer heraus stieß er sie mit der Faust, wie er es auch als Lebendiger getan hatte, derb vor den Hintern.
    Und sein Geständnis zog Kreise. In der Wirtschaft »Zum Gaisgarten« hatte ein gewisser Sölchmaier verkehrt, ein Setzerlehrling aus der Druckerei Gschwendtner, ein trüber Bursche. Der Faktor der Druckerei konnte ihn nicht leiden, schikanierte ihn, mißhandelte ihn. Der Sölchmaier übertrug seine Gefühle gegen den Faktor auf den Inhalt der Kutznerschen Zeitung, an der er setzte. Betrachtete sie mit immer kritischeren Augen, wechselte, als er schließlich aus dem Betrieb des Gschwendtner hinausgeschmissen wurde, hinüber in die »Hundskugel«, wo noch immer die »Rote Sieben« tagte. Die »Rote Sieben« nämlich war unter anderem Namen wieder auferstanden, sie wuchs und blühte; denn die Not der Inflation füllte trotz der blutigen Dezimierung nach der Niederschlagung des Räteputsches und trotz aller Regierungsmaßnahmen die kommunistischen Reihen immer wieder auf. Als bester Mann der »Roten Sieben«, wiewohl er kein offizielles Amt in der Partei innehatte, galt der Elektromonteur Benno Lechner von den Bayrischen Kraftfahrzeugwerken. Der junge, hübsche Mensch, kräftiges, rotbraunes Gesicht mit flottem, kurzem Schnurrbart, schrie nicht, drohte nicht herum wie die andern. Kaum zwanzig und Oberbayer, war er dennoch ruhig, besonnen, ernsthaft. Die hundsgemeine Geschichte damals mit dem Klavierspielen in der »Roten Sieben« und der Zuchthausstrafe, die ihm das Ausnahmegericht dafür aufbrummte, hatte ihn nicht zum verbitterten Raunzer gemacht. Nachdenkend in der Strafanstalt über das Getriebe der Welt, viel lesend, war er ernst geworden, abwägsam. Wenn er, weil er Klavier spielen lernen wollte, ins Zuchthaus geraten war, so trugen daran nicht einzelne die Schuld: Ursache war die soziologische Struktur der Gesamtheit. Zu schimpfen, auf den Tisch zu hauen, half nicht. Er tat nicht oft den Mund auf in der »Hundskugel«, und die anderen hörten zu, wenn er sprach. Viele meinten, wenn von den Unternehmungen der Münchner Kommunisten etwas sinnvoll sei, habe es den jungen Benno Lechner zum Urheber.
    Ihm mit hündischer Ergebenheit schloß der SetzerlehrlingSölchmaier sich an. Ihm auch erzählte er, was man im »Gaisgarten« herumraunte von dem Meineid des Chauffeurs Ratzenberger. Benno Lechner horchte auf. Er war befreundet mit Kaspar Pröckl, er wußte, was Zuchthaus ist, freute sich, dem Martin Krüger, dem Freund des Kaspar Pröckl, zu helfen. Ging mit dem Genossen Sölchmaier zur Witwe Crescentia Ratzenberger.
    Die Witwe Crescentia, als der tote Franz Xaver bewirkte, daß diese beiden erschienen und ihr auf den Kopf zusagten, sein Zeugnis damals sei falsches Zeugnis gewesen, atmete, fühlte angesichts dieser neuen Mahnung einen frommen Schauer, bekam Kraft, sich gegen ihre Last zu stemmen. Der junge Lechner brauchte nicht erst viele Worte zu machen, daß jetzt infolge der Sünde des Chauffeurs ein Unschuldiger im Zuchthaus hocke, und sie möge doch, um dem Lebendigen zu helfen, der Wahrheit die Ehre geben: als sie schon unter reichlichem Flennen erklärte, ja, was die Herren sagten, sei richtig, auch ihr habe der selige Franz Xaver einbekannt, er habe damals falsches Zeugnis abgelegt. Leider kam hier, und noch ehe man von der Witwe Crescentia etwas Schriftliches kriegen konnte, der junge Ludwig Ratzenberger dazu. Es setzte Geschrei und eine Rauferei, in deren Verlauf der Ludwig Ratzenberger dem Genossen Sölchmaier ein Stück Ohrwaschel abbiß.
    Und das Geständnis des toten Chauffeurs Ratzenberger zog Kreise. Nachdem es von der Witwe Crescentia zu den Genossen Sölchmaier und Lechner gekommen war, drang es zu Kaspar Pröckl. Denn Benno Lechner, gleich nachdem er den Genossen Sölchmaier ins Krankenhaus links der Isar transportiert hatte, setzte seinen Freund, den Ingenieur Pröckl, in Kenntnis. Der und Benno Lechner trugen das Geständnis zu dem Anwalt Dr. Geyer. Dr. Geyer war skeptisch. Stark mit den Augen zwinkernd, mit heller, unangenehmer, zweimal umkippender Stimme setzte er auseinander, ein Wiederaufnahmeverfahren in die Wege zu leiten sei immer eine schwierige Sache, in diesem Fall so gut wie aussichtslos. Überdie Zulassung eines Antrags auf Wiederaufnahme entscheide nach § 367 der Strafprozeßordnung das Gericht, dessen

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