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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Gesicht blieb ihm undeutlich. Gerne hätte er das Bild gesehen, lieber den Maler; aber zufrieden war er auch so und brauchte keinen Telefonanruf in der Nacht. Er wußte, daß, soweit einer dem Maler nachspüren konnte, der Ingenieur Kaspar Pröckl auf dem Wege war. Längst war ihm das Bild mehr geworden als ein Kunstwerk. Die Ruhe, das Einverstandensein mit seinem Schicksal war ihm aus der starken Vorstellung des Bildes gekommen.
    Es war schön, so wie jetzt schreiben zu dürfen. Niemand wartete, für keinen war es wichtig, daß er schrieb, nur für ihn selber. Oft schrieb er einen einzigen Satz an einem arbeitsvollen Tag. Gut war das: Zeit haben. Nichts festhalten, was nicht Anschauung, Gedanke, Leben ist. Die Einfälle fortjagen, die nicht die Schranken passieren, hinter denen die Gedanken liegen. Der Mann saß auf seinem Hocker, kurz geschoren, graubraun berockt, umgeben still und kräftig von Bildern, Gestalten, Ideen. Trottete zwischen Schnee, Mauern, den sechs Bäumen. Sah das vertrocknete, vielschnuppernde Gesicht des Direktors. Hörte die hurtigen Sätze des geschwätzigen Renkmaier. Aß. Schrieb.
    Oh, diese ganz stillen Stunden in der Zelle, wenn nichts war als Ruhe, von werdenden Gedanken dicht, die er durfte reif werden lassen, ungehetzt, in listigem Frieden, gut für Anschauungen und Bilder. Man saß da, locker alle Glieder, locker das Hirn, ruhevoll und bereit.
    In diese Befriedung hinein trug Kaspar Pröckl den Aufruhr. Denn was Kaspar Pröckl über das Geständnis des toten Chauffeurs erzählte, von dem Aufseher immerzu behindert, gezwungen, mit Andeutungen sich zu begnügen, riß auf einmaldie Zelle wieder auf, warf den Graubraunberockten zurück in die Zeit, da er sich noch mit Alonso Cano beschäftigt hatte, einem eleganten Porträtmaler aus dem Cádiz des siebzehnten Jahrhunderts. Schüttelte ihn bis in die Nieren. Er hatte bisher für die Versuche, ihn zu befreien, von denen Geyer, Pröckl, Johanna ihm erzählt hatten, ein mildes, fernes Lächeln gehabt. Sie waren an ihm abgeglitten wie Wasser von einem Ölmantel. Diese Mitteilung plötzlich riß die dicke Watte auseinander, in die er sich gepackt hatte. Auf einmal wieder stand das Leben vor ihm, Reisen, Bilder, Meer, Sonne, Frauen, Erfolg, Tanzsäle, Bauten, Theater, Bücher. Der Ingenieur Kaspar Pröckl, der sich von der dumpfen Verpuppung des Mannes Krüger sehr viel erhofft hatte, nämlich daß er sich aus seiner bequemen Lebens- und Arbeitsweise durchbeißen werde zu seiner eigenen, harten, schonungslosen, erschrak vor der tiefen, wortmangelnden Aufgewühltheit des Mannes. Nein, Krüger war noch nicht soweit; sonst hätte ihn diese doch äußerliche Chance nicht so ungeheuer anrühren können. Kaspar Pröckl, ohnedies in seinen Mitteilungen behindert durch den Wärter, lenkte ab, sprach von den Bemühungen, die er aufgewandt hatte, um das Bild des Malers Landholzer zu finden, das Bild »Josef und seine Brüder«. Der Maler hieß nicht Landholzer, er hatte sich nur versteckt hinter einem Manne dieses Namens. In Wirklichkeit hieß er Fritz Eugen Brendel und war Ingenieur. Diesem Ingenieur Brendel war Kaspar Pröckl jetzt auf der Spur. Er war sicher, ihn aufzustöbern.
    Sonst hätte diese Nachricht Martin Krüger im Innersten gepackt: heute hatte er keinen Sinn dafür. Es war eine tiefe, atemschwere Unruhe in ihm, daß Pröckl wünschte, er hätte ihm nichts von dem Geständnis des Chauffeurs gesagt. Fort war die Befriedung der guten letzten Wochen. Er konnte nicht stillsitzen, sein Manuskript war ihm gleichgültig. Er ging auf und nieder, zog den graubraunen Rock der Anstalt aus, wieder an. Er dachte an Johanna Krain, war sinnlos erbittert, daß sie sich in Garmisch vergnügte, während er hier saß. Das Essen schmeckte ihm nicht, der Geschmack des Sodas, das man, umdie erotischen Appetite der Gefangenen zu dämpfen, den Speisen beimischte, widerte ihn an. Ein starkes körperliches Verlangen nach Johanna überkam ihn, er sah sie vor sich, nackt, spürte die Berührung ihrer festen, großporigen Kinderhände. Er biß sich in die Arme, ihn ekelte vor seinem Körper, seiner Ungepflegtheit, seinem Geruch. Er hatte das alte, gewalttätige Gesicht von früher. Dann wechselte er grotesk hinüber in die schlaffe Maske eines hilflosen Greises. Er begann einen Brief an Johanna, gemischt aus Geilheit, Erbitterung, Zärtlichkeit, Beschimpfung. Er hockte auf dem Boden, kaute an seinen Nägeln, verwünschte den Chauffeur Ratzenberger und den Ingenieur

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