Erfolg
verschieden alt sind ihrer Artbeschaffenheit nach, einer vielleicht dreißigtausend Jahre älter als der andere. Keiner kann für nichts, jeder ist seines Rechtes sicher, jeder hat recht: und dann zeigt sich, daß vor diesem »Weltgericht« sein Recht eben doch unsicher wird.
Von diesem Hörspiel erzählte Tüverlin, kräftig, mit schnellen Worten, gar nicht skeptisch und gelassen, mit vielen heftigen Ausfällen gegen den Ingenieur Pröckl, den er übrigens als das einzige Individuum mit Menschengesicht bezeichnete, das er an diesem Lustort getroffen habe. Aber er hatte eine finstere Zuhörerin. Johanna interessierte sich nicht für seine Arbeit, von der sie sonst mit Leidenschaft gehört hätte. Sie schaute auf seine behaarten Hände und fand sie häßlich. Sie schaute auf sein arbeitendes, zerknittertes Gesicht und fand es eine Clownsfratze.
Sie versuchte, sich in ihn hineinzudenken. Der Mann kann Werk, Beruf deutlich abtrennen von der Frau, kann für die Zeit, da sein Werk ihn ausfüllt, die Frau in die Ecke stellen. Das war so, das wußte sie. Aber sie konnte nicht verhindern, daß ihre Oberlippe sich einsog, daß ihre grauen Augen zornigwurden. Es war ekelhaft, daß sie sich so gar nicht verstellen konnte.
Sie war erbittert über diesen Mann, der keinen Anteil nahm an ihr und ihrem Erfolg. Sie war erbittert über sich, daß ihr an der Anteilnahme gerade dieses Mannes lag. Sie war erbittert über sich und ihn, daß sie hier nebeneinander saßen, jeder so in sich eingesperrt.
Sie sah Herrn Hessreiter mit Herrn Pfaundler die Konditorei »Alpenrose« betreten. Gereizt, ablehnend, etwas albern sagte sie zu Tüverlin: »Entschuldigen Sie, ich verstehe nicht viel von diesen Dingen«, stand auf und ging zu Hessreiter. Der hatte durch Pfisterer gehört von ihrem Erfolg bei dem Prinzen, hatte sie durch den ganzen Ort gesucht, begrüßte sie mit vielen umständlichen Glückwünschen. Er war sehr stolz, daß sie Tüverlin hatte sitzenlassen, umgab sie mit Zuversicht, Neigung, Wärme, all dem, was Tüverlin ihr versagt hatte. Und sie vergaß die keramische Fabrik mit den Gnomen, mit den Fliegenpilzen, und nicht mehr spürte sie den säuerlichen Geruch ausgehen von Herrn Hessreiter.
Tüverlin, als sie ihn so plötzlich allein ließ, war zuerst verblüfft. Ach so, sie hatte ihm ja erzählt von diesem Trottel, bei dem sie gewesen war, und er hatte offenbar nicht genügend darauf geachtet. Etwas mehr hätte er wirklich auf sie eingehen können. Sie war gut anzusehen, sie gefiel ihm, alles an ihr, auch ihr Unmut, der vielleicht albern war. Aber hatte sie ihn nicht schon einmal allein gelassen? Er lächelte, vergaß sie. Er hatte sich warm geredet, war nicht allein: war mit seinen Plänen.
Herr Pfaundler sah den arbeitenden Mann. Herr Pfaundler erwog seit langem den Plan, einmal in München eine jener großen Revuen zu starten, wie sie die Zeit liebte. Vom geschäftlichen Standpunkt aus war das Unsinn; München war keine Weltstadt, kaum eine Großstadt. Aber andernteils die alte künstlerische Tradition, der berühmte bildnerische Geschmack: es wäre eine Mordsviecherei, von hier aus die Revue zu veredeln, die überall auf der Welt die Szene beherrschte.Der Vorsatz wärmte ihm das Herz. Er verdiente viel an der steigenden Inflation, und er schwankte seit Monaten, ob er das verdiente Geld in einer solchen veredelten Revue anlegen solle oder in einem Passionsfilm. Jetzt, wie er Tüverlin dasitzen sah, entschied er sich. Er hatte den Riecher. Er sah es auf den ersten Blick, dieser Tüverlin war sein Mann. Der internationale, schlenkrige Bursche war Viechskerl genug für die Revue, war nüchtern und hatte dennoch Einfälle. Herr Pfaundler ging hin zu ihm, bat um die Erlaubnis, Platz nehmen zu dürfen, bestellte für sein Teil einen Wermut. Sprach mit dem planträchtigen Tüverlin über die projektierte Revue. Ja, Tüverlin in dem verdrießlichen und lustvollen Akt des Produzierens ging auf Herrn Pfaundler ein. Er hatte eine Idee vorrätig für eine Revue, und dieser Mensch Pfaundler hatte den richtigen Unternehmersinn. Er fragte Herrn Pfaundler, ob die Revue politisch sein dürfe. Herr Pfaundler, vorsichtig, meinte, auch politisch dürfe sie sein. Mit Maß selbstverständlich. Sehr allgemein. Der lächelnde Tüverlin baute auf einem Grundriß des Aristophanes eine Revue an, das Gespräch mit Pröckl wirkte nach in ihm. Er schlug vor, die Revue auf den einheimischen Komiker Balthasar Hierl zu stellen. Herr Pfaundler stimmte
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