Erfolg
im Krieg verlorenen Gebiete. Der plumpe, den Verkehr behindernde Gedenkblock auf der Straße, das Mahnmal , war inzwischen enthüllt worden. Herr Hessreiter umwandelte es, überlegend, wie er die skandalöse Dummheit seiner Landsleute am besten formulieren könnte. »Sie verschandeln den schönen Bau zu einem Warenhaus militärischer Wunschträume«, fand er schließlich, und sein Herz ergrimmte wollüstig an diesem Satz.
Bald erkannte er: seine Stadt war durchaus die alte geblieben. Er sah mit Erbitterung, wie schwer es war, seine Freundin Katharina in ihrer früheren Geltung wiederherzustellen. Justament, dachte er; jetzt gerade, dachte er und erwog fernher sogar den Gedanken, sie zu heiraten. Sie war klug, rührte sich nicht, bestärkte ihn nicht, wartete ab.
Leider auch war die komische, chauvinistisch militärische Stimmung seiner Landsleute keine vorübergehende Laune gewesen: sie hatte sich vertieft. Auf der Straße, im Herrenklub, wohin man kam, blühte dieser Blödsinn. Geheimnisvoll raunte man einander zu: noch vor der Baumblüte. Verschwörerisch gab man Informationen aus dem Edda-Bund weiter, wie großartig die Rüstungen vorwärtsgingen. Herr Hessreiter,liberaler Patrizier, der er war, wenig verknüpft mit dem Bauernland ringsum, begriff durchaus nicht, wieso seine Landsleute, über Nacht militaristisch, auf das Hakenkreuz hereinfielen.
Sein Plan, die Münchner münchnerisch zu machen und weltbürgerlich zugleich, stieß offenbar momentan auf Schwierigkeiten. Aufgab er ihn deshalb nicht. Aber er war gewitzt, er wird nicht wieder so blöd sein, sich zu früh das Maul zu verbrennen. Wird sich nicht vorzeitig verausgaben, nicht mit dem Kopf durch die Wand wollen. Den rechten Moment abwarten, darauf kam es an. So wie er die rechte Zeit abpaßt für die Erweiterung der Süddeutschen Keramiken, so auch wird er da sein, wenn es gilt, dieser damischen Hakenkreuzlerei den entscheidenden Tritt in den Hintern zu geben. Bis zur Baumblüte ist es noch lang hin. Er wird demonstrieren: aber erst im rechten Moment.
Vorläufig genoß er die Annehmlichkeiten der Heimat. Gscheit oder dumm: meine Vaterstadt.
13
Der Handschuh
Herr Hessreiter war nicht der einzige, der die Gaudi um Kutzner nicht mitmachte. Nicht eigentlich die Linksradikalen waren die erbittertsten Gegner des Führers. Unter denen waren viele junge Menschen, die nach Taten dürsteten. Bei den Kommunisten gab es zu Taten in diesen Monaten wenig Gelegenheit: in den Reihen der Patrioten konnten sie ihre eingeborene Rauflust austoben. Sie hieß dort Wehrhaftigkeit , galt als Tugend, war von den Behörden sanktioniert. Sogar bezahlt wurde man dafür. Viele Kommunisten wechselten hinüber in das Lager der Wahrhaft Deutschen.
Die fanden ihre beharrlichsten Gegner in den Sozialdemokraten. Mit bayrischer Querschädeligkeit, mit weißblauer Verbissenheit stemmten sich die gegen den immer stärkerenDruck. Die bedenksamen Ambros Gruner und Josef Wieninger wurden hart, resolut. Schrieben mutige, klare Aufsätze in ihrer Zeitung, nannten die Dinge beim Namen, belegten aktenmäßig die sich ausbreitende Gesetzlosigkeit, stritten im Landtag gegen die höhnische Gleichgültigkeit der Regierung, ließen sich auf Straßenschlachten mit den Patrioten ein. Dazu gehörte Mut. Denn die Behörden schauten mit unverschämter Blindheit zu, wenn die Patrioten Gegner überfielen, nahmen offen Partei. Anläßlich einer sozialdemokratischen Demonstration entrissen grüne Polizisten den Bannerträgern die Fahnen mit den Farben der Republik, zertraten die Stöcke, zerfetzten das Tuch. In der Gegend des Hauptbahnhofs, vor der Feldherrnhalle, veranstalteten Kompanien der Wahrhaft Deutschen organisierte Jagden auf alle, die nicht patriotisch ausschauten. Die Krankenhäuser füllten sich mit Verwundeten. Die Sozialdemokraten stellten sich immer von neuem. Es war ein ungleicher Kampf. Ihnen nahm die Polizei die Waffen ab, den Patrioten beließ sie Stöcke, Gummiknüppel, Revolver, Radiergummi und Feuerzeug .
Den alten, schlauen Grueber, der ein ganzes Leben voll bayrischer Zähigkeit darauf verwandt hatte, sein München an den Strom der Gesamtentwicklung anzuschließen, wurmte es, wie die Stadt jetzt verkam. Dem blinden Dr. Bichler, der unverrichteterdinge aus Paris zurückgekehrt war, schien die patriotische Gschaftlhuberei eine saublöde, preußische Sache, sie ekelte ihn an. Er überlegte ernstlich, ob er nicht selber ins Kabinett solle, um den Faxen ein Ende zu machen. Auch den Dr.
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