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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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genoß in aufgeregten Bildern vorher, was noch vor der Baumblüte sich ereignen sollte. Um die Zusammenkünfte des Edda-Bundes, so öffentlich bekannt sie waren, wurde viel Geheimnis gemacht, Gewese, Wichtigtuerei. Vieletrugen heftiges Verlangen, an den Abenden des Edda-Bundes teilzunehmen; doch dies war sehr erschwert. Der Komiker Balthasar Hierl also machte einen Drei-Quartel-Privatier, der auf der Straße zwei Zulassungskarten zu einem Abend des Edda-Bundes gefunden hat und nun mit seiner Freundin Resi hingehen will. Der Führer Rupert Kutzner wird dort persönlich und vertraulich eine Ansprache halten; es ist eine große Sache. Balthasar Hierl und seine Freundin Resi, während sie sich umständlich zu dem Besuch des Abends rüsten, malen sich die bevorstehenden Genüsse aus. Der Komiker Hierl hat den Kutzner erst vorgestern gesehen in seinem grauen Auto; er trug einen steifen, runden Filzhut, rehbraune Handschuhe hielt er auf vornehme Art in der Hand. Die Resi meinte träumerisch, der Herr Kutzner werde heute abend, weil es eine so feine Versammlung sei, wahrscheinlich in Handschuhen sprechen. Diese Meinung teilt der Komiker Hierl nicht; es sei kommoder ohne Handschuhe. Die Resi blieb bei ihrer Meinung, der Komiker Hierl bei der seinen. Heftiger Disput erhob sich, spielte bald ins Weltanschauliche hinüber. Man sprach von Hochkultur, vom nordischen Gedanken, von Juda und Rom. Balthasar Hierl brütete tiefsinnig, ob einer schon ein Antisemit sei, wenn ihm ein sauberes Christenmädel wie die Resi lieber sei als ein alter Galizier. Infolge dieser feinen Schmeichelei sänftigt sich die Resi, 1äßt ab von den rehbraunen Handschuhen des Führers, macht sich an ihre Toilette. Sehr bald aber, bei Besprechung dessen, was sie für diesen Abend anziehen soll, ist man wieder bei den Handschuhen. Wieder entbrennt der Kampf, ob wohl und welche Handschuhe Herr Kutzner tragen wird. Der Abend rückt vor, die Zusammenkunft des Edda-Bundes hat schon vor einer halben Stunde begonnen. Doch der Komiker Hierl und die Resi, halb angezogen, stecken tief in ihrem immer heftigeren Disput. Längst haben sie sich, ohne doch der Entscheidung näher zu kommen, die Flecken ihres Charakters und ihres Privatlebens vorgeworfen. Traurig über ihre Verstocktheit beginnt Hierl die Resi zu prügeln, sie zerreißt ihm Rockund Krawatte. Ihre Bluse ist zerfetzt, aufschnupfend macht sie sich ans Flicken. Der Abend ist vorgerückt. Will man noch vor der Baumblüte hinkommen, muß man sich schicken. Auf alle Fälle muß man einen Wagen nehmen. Im Wagen entbrennt der Streit von neuem. Der Chauffeur, irritiert vom Geschrei seiner Fahrgäste, hat einen Zusammenstoß; die Resi wird durch Glassplitter verletzt. Endlich gelangt man, blutend und zerdreckt, zum Haus, wo der Edda-Bund tagt. Allein die Sitzung ist soeben zu Ende, der Komiker Hierl und die Resi können sich gerade noch unter die Begeisterten mischen, die dem grauen Auto des Führers Heil zurufen. Sie forschen Teilnehmer der Zusammenkunft aus, ob Kutzner während seiner Rede rehbraune Handschuhe getragen hat. Die Gefragten grübeln nach. Der eine meint: ja, der andre: nein. Sie bleiben bei ihrer Meinung. Ein dritter, vierter, zehnter mischt sich ein. Es entsteht eine große, allgemeine Rauferei. Sie endet erst, als ein Jude vorbeigeht und alle in der Ansicht vereint, daß er, als der Schuldige an der Rauferei, verhaut werden müsse.
    Die Zuschauer jubelten. Die meisten von ihnen hatten schwere, unmittelbare Sorgen; sie konnten ihr Bier nur in kleinen Schlucken trinken und nur, wenn sie sich Brot und Wurst versagten, und sie mußten diese Schlucke von Tag zu Tag verkleinern. Aber der Mann auf der Bühne gehörte zu ihnen, fühlte ihre Gefühle, sprach ihre Sprache. Wie er faßten sie ihre Meinungen langsam, und es war ihnen nicht wichtig, welche: aber hatten sie sie einmal gefaßt, dann stellten sie sich hartnäckig darauf, waren nicht mehr wegzukriegen. Das Herz ging ihnen auf, wenn sie ihn anschauten, den Mageren mit seinem Birnenschädel, seinen gleichmütig langsamen Bewegungen, seinen traurigen Augen. »Ich mein halt alleweil, er hat doch Handschuh gehabt«, sagte der Mann auf der Bühne, und so sagten sie alle.
    Der Erfinder Druckseis war unter den Zuschauern, der listenreiche Fabrikant von Lärminstrumenten. Er war in mancherlei Bedrängnis. Er hatte zwar einen großen Erfolg gehabtin der Pfaundlerschen Revue; auch die patriotische Bewegung benötigte seine Lärminstrumente, um in Versammlungen

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