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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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und Demonstrationen ihre Ziele zu manifestieren. Trotzdem war er nicht für die Wahrhaft Deutschen; er fürchtete, sie würden den Fasching sabotieren, die beste Gelegenheit für die Popularisierung seiner Artikel. Er überlegte nicht lange, war »Der Handschuh« für die Patrioten, war er gegen sie. Primitiven Eindrücken sich schnell und rasch hingebend, wie alle ringsum, ließ er sich ungehemmt begeistern von dem Komiker Hierl.
    Es schütterten vor Lachen die tausend Kleinbürger, Handwerker, Maler, Studenten. Der alte Geheimrat Kahlenegger war unter ihnen. Er war ein erbitterter Widersacher der Patrioten. Bei Gelegenheit hatte er nämlich erklärt, der von den Römern gepriesene und gefürchtete Furor teutonicus bezeichne, genau besehen, nicht eigentlich deutschen Kriegsgeist, sondern, da ja die Teutonen die Urfranzosen waren, französischen Elan. Seither hatten die Wahrhaft Deutschen ihn wild befehdet, ja sie hatten mit den Verkleinerern seiner Elefantenbücher gemeinsame Front gemacht. Propter invidiam , zitierte grollend der Alte, aus Neid , aus jenem Neid, den schon Tacitus an den Germanen konstatiert hatte. Von ganzer Seele seither haßte der Geheimrat Kahlenegger die Patrioten. Tief aus der Kehle jetzt holte er sein modriges Lachen über die Späße des Lehmmenschen .
    Eine Reihe vaterländischer Totschläger war unter den Zuschauern, alle selbst Mitglieder des Edda-Bundes, Erich Bornhaak, auch der Erlediger des ersten revolutionären bayrischen Ministerpräsidenten. Da Erich Bornhaak dem Komiker Hierl mit jungenhafter Freude applaudierte, ließen die Kutznerfreunde alle ihrer Gaudi freien Lauf und ergötzten sich hemmungslos mit den andern.
    Herr Hessreiter war begeistert von dem »Handschuh«. Das war bestes München. Kein hysterisches Geschrei: gelassene Anschauung, gelassene Ablehnung. Das war etwas spezifisch Münchnerisches, etwas Positives, zu dem die ganzeWelt ja sagen konnte. Er schilderte Frau von Radolny, die durch ihre Tätigkeit in der Revue verhindert war, sich die Aufführung anzuschauen, das Genie des Komikers Hierl, spielte ihn ihr vor. Frau von Radolny hörte ihm zu. Sie dachte an die Proben von »Kasperl im Klassenkampf« und daß dieses spezifisch Münchnerische eigentlich auf des Westschweizers Tüverlin Boden gewachsen war. Allein sie war klug; sie wird diesem Mann Hessreiter jetzt nicht seine Freude verderben. Behutsam, mit ihrer sonoren Stimme, riet sie ihm, sich nicht durch seine Gegnerschaft zu den Patrioten zu exponieren. Wenn er ihren Rat befolgte, gut. Wenn nicht, wenn er zu Schaden kam durch Prinzipientreue, war das vielleicht auch nicht schlecht. Ein zusammengebrochener Hessreiter wird Wachs sein in ihrer Hand.
    Ganz München schaute sich den »Handschuh« an. Dem verlöschenden Pfisterer erzählte Dr. Matthäi von dem neuen Stück des Balthasar Hierl. Er kam jetzt täglich zu Pfisterer. Die betuliche Frau des Pfisterer hatte ihn darum gebeten; denn der Zank mit dem Matthäi war das einzige, was den Kranken noch belebte. Als der Matthäi sah, wie ungeheuer sein Freundfeind sich für das Spiel des Hierl interessierte, bewog er unter vielen Schwierigkeiten den Komiker, in die Wohnung des Pfisterer zu gehen und dem in seinem Krankenzimmer den Sketch vorzuspielen. Nur drei Menschen waren da: der verdämmernde Pfisterer, seine Frau, der hundsgesichtige Matthäi. Vor denen also spielte der Komiker Balthasar Hierl und seine Partnerin die Szene »Der Handschuh. Nicht von Schiller«. Und Balthasar Hierl, der sich sonst außerhalb seiner gewohnten Umgebung überaus unbehaglich fühlte, spielte hier besser als am Abend.
    Pfisterer leuchtete. Der Komiker Hierl war ihm recht eigentlich ein Bild der Stadt München, und er sah, daß seine gute Stadt doch nicht so dumm war, daß sie sich nicht, wie die Gegner behaupteten, von jedem Blödian hereinlegen ließ. Sich bewegen fiel ihm schwer, sprechen fiel ihm schwer, sich auf etwas konzentrieren fiel ihm schwer; aber man sah, mitwelch inniger Freude der Halbgelähmte jeden kleinsten Ton, jeden winzigsten Gestus des Schauspielers aufnahm. Der Schauspieler gegangen, stritt er sich heftig mit dem Matthäi.
    Den andern Morgen diktierte er zwei Stunden an seinem »Sonnigen Lebenslauf«; dann nahm ein letzter Schlaganfall ihn hin. Alle wußten, daß er gestorben war an der Verlumpung seines Landes Bayern durch die Wahrhaft Deutschen. Rupert Kutzner, am Tage, da Pfisterer beerdigt wurde, verkündete: der große Schriftsteller sei gestorben, weil er die

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