Erfolg
Matthäi giftete es, daß seine Landsleute so hundsdumm waren. Kam hinzu, daß die Russin, das Mensch, zu den Laffen hinübergelaufen war. Er schrieb in seiner Zeitschrift erbitterte Gedichte.
Der Maler des »Crucifixus« bekannte sich bei jeder Gelegenheit als Gegner des Kutzner. Er verkam jetzt mehr und mehr, der Greiderer. Suchte sich seine Haserln aus immer billigerem Stoff. Seine Mutter war längst aufs Land zurückgekehrt. Er selber hatte manchmal die Idee, wieder unter dieBauern zu gehen: aber er blieb in der Stadt. Das einzige, was er aus dem kurzen Glanz zurückbehielt, war sein dunkelgrünes Auto. Es war ein ramponiertes Vehikel jetzt, schäbig, die Lackierung zerkratzt, verschmutzt. Der Maler Greiderer, wollte sein Freund Osternacher mit ihm zusammensein, zwang ihn, sich mit ihm in dem lächerlichen Gefährt zu zeigen. Er war mächtig im Aufstieg, der Professor Balthasar von Osternacher, seit seinem »Dorfapostel Petrus«, er hatte zweifellos eine Periode neuer Kraft, und es war dem repräsentativen Herrn peinlich, in der schundigen Konservenbüchse des Greiderer durch die Stadt zu kutschieren. Er wollte ihm Geld zur Neulackierung leihen. Aber da kam er schön an. Der Greiderer hatte giftig zugeschaut, wie der »Dorfapostel Petrus« entstand, dessen Skizzen er faul beiseite gelegt hatte. Sein Humor war giftiggrün jetzt, viel grüner als sein Auto. Niemals sagte er ein deutliches Wort über den »Dorfapostel«; er beschränkte sich auf bösartige Anspielungen, die er unter Frotzeleien über des Osternacher Patriotismus versteckte. Offene Grobheit wäre dem Professor lieber gewesen; die leisen, tückischen Anspielungen vornehm zu überhören war nicht leicht. Aber Osternacher kam nicht los von Greiderer. Mehr noch als seine giftigen Anspielungen kratzte ihn, daß Greiderer ständig von einer geheimnisvollen Arbeit sprach, an der er schaffte. Er war wirklich nicht faul, das sah man. Der Osternacher hätte ums Leben gern herausgebracht, was das für ein großes Werk war, das Greiderer immer neu anfing. Allein der war ein Heimlicher geworden. Weigerte sich, das Entstehende zu zeigen, schaute manchmal den Osternacher von der Seite an, bedeutungsvoll, von vorn, von hinten, lachte voll böser Befriedigung.
Derjenige, welcher seine Gegnerschaft gegen die Patrioten am klarsten und kräftigsten äußerte, war Anton von Messerschmidt, der neue Justizminister. Unmutig, in öffentlicher Rede, erklärte er, es sei in diesem Land kein anständiger Mensch mehr seines Lebens sicher. Das alte, demokratische München setzte seine ganze Hoffnung auf den einfachen,redlichen Mann, der seine Worte abwog. Wenn ihm nicht, wem dann soll es gelingen, den dummen Spuk zu zerstreuen? Viele, die er nicht kannte, zogen tief den Hut, wenn er vorbeiging. Nicht wie die Kutznerleute, wenn sie das graue Auto des Führers erblickten, schrien sie Heil ; doch sie drehten sich nach ihm um und schauten ihm nach, gehobenen Herzens. Denn es waren nicht wenige, die mit Schmerz sahen, wie die Stadt barbarisiert wurde, böotisiert, verhunzt; noch saßen in ihr aus früheren Zeiten stille, menschliche Leute, malten, schrieben, sammelten, freuten sich der Landschaft, der Häuser, der staatlichen Sammlungen. Sie litten an der Verwesung der Stadt wie am Untergang eines Lebendigen.
Der Komiker Balthasar Hierl hielt die Stunde für gekommen, die Stimme des Volkes, seine Stimme, zu erheben. Was diese Stimme sagte, war nicht sehr deutlich; aber eindrucksvoll war es und jedenfalls nicht für den Kutzner. Vielleicht vor den Proben zu »Höher geht’s nimmer« wäre der Balthasar Hierl für den Kutzner gewesen. Er hatte sich nicht verändert, aber er hatte sich angefüllt mit den Ideen Tüverlins. Er war der gleiche und doch ein anderer, schärfer, mehr überhöht. Er spielte nicht nur sich selber, sondern er spielte mit die ganze Stadt, und was noch Gutes in ihr steckte.
Balthasar Hierl also, zusammen mit seiner Partnerin, gab eine Szene: »Der Handschuh. Nicht von Schiller.« Er stellte dar, wie er zu seiner Freundin Resi kommt, schmunzelnd, vergnügt; denn er hat etwas sehr Kostbares gefunden, und das bringt er ihr jetzt: zwei Eintrittskarten zu einem Abend des Edda-Bundes. Jeder im Saal wußte, was das bedeutete. Der Edda-Bund war ein aristokratischer Klub, hatte zu Mitgliedern die Creme der Wahrhaft Deutschen. In diesem Klub hielt Rupert Kutzner seine besten Reden. Hier wurden die Details des geplanten Marsches nach Berlin vertraulich mitgeteilt; man
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