Erfolg
Weißwürste aß, in ihrer alten, ruhevollen, freundschaftlichen Weise mit ihm redete.
Herr Pfaundler hatte von Hessreiters Rückkehr gehört; man aß nach der Vorstellung zu dreien. Es wurde ein behagliches Mahl. Herr Hessreiter verglich Herrn Pfaundlers geschmackvolles Restaurant mit den Berliner Großgaststätten, in denen man sich an lieblos zubereitetem Essen bestenfalls zweckmäßig, doch ohne Genuß nährte. Während Katharina zuweilen gelassen beipflichtete, schimpften die beiden Männer auf Berlin. Schon war in Hessreiters fleischigem, jedem Eindruck hingegebenem oberbayrischen Kopf das romantische Bild der großen Stadt verblaßt, die ihm mit ihren Millionen Leitungen, Schächten, Röhren unter der Erde, ihren endlosen Häusern, wimmelnden Menschen auf der Erde, ihren Antennen, Lichtern, Flugzeugen in der Luft so imponiert hatte. Jetzt raunzte er über diese Menschen im Norden, über ihre Kälte, ihre Beziehungslosigkeit, ihren hastig nüchternen Betrieb, über ihre Landschaft: Sand, Kiefern, traurige, gelumpige, schmutzige Tümpel, überheblich Seen genannt. Herr Pfaundler stimmte lebhaft zu. Wie herrlich dagegen die Umgebung Münchens, wirkliche Berge, wirkliche Seen, und Herr Pfaundler lenkte über zu dem Besitztum Luitpoldsbrunn. Allein wie er leise an jene Absicht Katharinas rührte, Luitpoldsbrunn zu verkaufen, und von seinem Plan sprach, den Besitz zu pachten, stieß er bei Frau von Radolny auf eisige Gedächtnislosigkeit. So, hatte sie dergleichen geäußert? Siekonnte sich nicht erinnern. Auch Herr Hessreiter konnte nur den Kopf schütteln über ein solches Projekt, und Herr Pfaundler beeilte sich, auf die Revue zurückzulenken, die Leistung Frau von Radolnys schrankenlos bewundernd. Katharina nahm, durch die reuige, vorbehaltlose Rückkehr des Kommerzienrats Hessreiter rehabilitiert, behutsam wieder Besitz von ihrer früheren Stellung.
Nach dem Abendessen fuhr Herr Hessreiter mit Katharina in seine Villa an der Seestraße. Dort, ohne die Vergangenheit mit einer Silbe zu erwähnen, versöhnte man sich. Jetzt erst fühlte sich Herr Hessreiter in Wahrheit heimgekehrt. Wie zehnfach gesteigert war die Behaglichkeit seines schönen Hauses jetzt, da er sie zusammen mit der verständnisvollen Freundin genoß. Die Schiffsmodelle, die Marionetten, der Krokodilschädel, die Folterwerkzeuge, die Nippessachen, wieviel inniger in dieser glücklichen Versöhnungsnacht nahm er sie in sein Gemüt auf. Wie anders jetzt klang selbst die Äolsharfe, da sie in die Ohren einer Vertrauten klang.
Ohne Reue dachte Herr Hessreiter an Johanna; er hatte lange nicht mehr an sie gedacht. Paris, Johanna, das war eine gute Zeit gewesen, aber eine Episode, ein Intermezzo. Seine Verbindung mit Katharina war eine viel engere, bluthaftere. So unberechenbare Lücken, wie sie plötzlich in den Beziehungen zwischen ihm und Johanna waren, gab es da nicht. Aber Herr Hessreiter hatte Anstand, wußte, was fair ist. Er wird selbstverständlich auch in Zukunft für Martin Krüger eintreten. Er war nicht der Mann, eine Sache im Stich zu lassen, zu der er einmal ja gesagt hat.
In dem behaglich breiten Ebenholzbett mit den exotischen Figuren, an Seite der schlafenden Katharina, überdachte er das, zufrieden. Er erkannte klar: seine Bestimmung war, Münchner zu sein und Weltbürger zugleich. Er wird die Süddeutschen Keramiken ausbauen zu einem Institut von Weltruf. Alle Vorbereitungen hat er getroffen, er wartet nur noch den rechten Moment ab. Er wird hinüberlangen übers Meer. Vielleicht auch wird er für Rußland Gebrauchskeramik herstellen.Warum sollte man in Rußland nicht Sinn haben für das Enzian- und Edelweißmuster? Aber Zentrum seines Lebens blieb die Stadt München. Sie war, seine liebe Vaterstadt, in vielen Fragen saudumm: trotzdem ertappte sie zuletzt immer das Richtige. Lebenswert jedenfalls war das Leben bloß in München. Herr Hessreiter dehnte sich, schnaufte vergnügt. Gscheit oder dumm: meine Vaterstadt, dachte er.
Andern Tages dann ging er durch die Straßen, sie genießend, sie neu erkundend. Er sah, daß die Stadt noch schöner war, als er sie im Gedächtnis trug: blank, sauber alles wie frisch gewaschen. Allein er war auch ein welterfahrener Mann und übersah nicht die Flecken. Er stand an der Feldherrnhalle und beschaute die Feldherrn Tilly und Wrede, die beiden schreitenden Löwen, die große, muskulöse Aktgruppe, die riesige Inschrift: »Herr, mach uns frei«, die Kränze und die Blechschilder mit den Namen der
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