Erfolg
aus dem Land, selbst aus Norddeutschland, sich verstärkte, da spürte Flaucher seinen Tag gekommen. Jetzt hat es geschnackelt, Herr Nachbar. Fangen Sie nur an mit Ihrer Baumblüte. Ihre Bäume werden schon blühen, mein Lieber: aber das wird ein wenig anders herschauen, als Sie sich das in Ihrem geschwollenen Schädel vorstellen. Der Minister Flaucher nahm den Kampf an, seine Regierung stellte sich den Wahrhaft Deutschen: er verbot Versammlungen unter freiem Himmel.
Das war ein kühnes Unterfangen. Die Wahrhaft Deutschen, in aller Öffentlichkeit, erklärten, die Fahnenweihe finde trotzdem statt, sie schissen auf das Verbot. Es sah aus, als sei diesmal Gemetzel und Bürgerkrieg unvermeidlich.
Aber es zeigte sich, daß Gott mit Flaucher war. Gott ließ leuchten sein Angesicht über ihm und gab ihm einen großenTrumpf in die Hand. Er ließ flattern auf seinen Tisch ein inhaltsschweres Telegramm aus San Franzisko. Bestätigt wurden in diesem Telegramm Verhandlungen, die Herr von Grueber mit einem Vertreter der Kalifornischen Landwirtschaftsbank führte. Die Bank war bereit, für Herrn von Gruebers Kraftwerke, an denen der bayrische Staat sehr beteiligt war, eine dicke Anleihe in Amerika aufzulegen. Das war in diesen schwersten Zeiten der deutschen Wirtschaft ein weithin strahlender Erfolg des Landes Bayern. Einen solchen Erfolg im Rücken, konnte man weit vorstoßen.
Er berief einen Ministerrat. Seinen Herren von dem amerikanischen Vertrag Mitteilung zu machen, war er nicht gewillt. Außer dem Finanzminister wußte keiner von seiner Sicherung. Er saß da mit einem Rätselgesicht, ließ die Herren reden. Die Mehrzahl verkroch sich vor Entschließungen. Da erhob sich der Minister Sebastian Kastner. Er erklärte, in dieser gefährlichen Lage sei das Wichtigste einheitliche Führung. Einer allein müsse die Verantwortung haben, ein starker, bewährter Mann, und er blickte mit hündischen Augen auf Flaucher.
Flaucher war überrascht. Er hatte auch dem getreuen Sebastian Kastner nichts gesagt von seinem Trumpf. Es war gut, einen Handlanger zu haben, der sich so in einen hineinfühlen konnte. Der Kastner schaute ihm auf den Mund. Auch die sechs andern saßen voll Erwartung. Er stand auf, langsam, breitmassig, den viereckigen Kopf reihum schiebend.
Erklärte: die Regierung habe Herrn Kutzner und seiner Gefolgschaft gegenüber eine außerordentliche Langmut an den Tag gelegt. Nun aber hätten die Wahrhaft Deutschen ihr in aller Öffentlichkeit Gewalt angedroht. Hätten erklärt: die verbotene Fahnenweihe finde statt, man könne dagegen Militär und Polizei aufbieten, soviel man wolle. Die Regierung könne schießen; der Führer werde sich an die Spitze stellen, und man könne auch ihn erschießen. Aber der erste Schuß werde eine rote Flut auslösen, und was dann komme, das werde man sehen. Er, Flaucher, sei der Meinung, das seigenügend. Er sei der Meinung, die Regierung solle schießen, sie solle es auf den Versuch ankommen lassen, was nach dem ersten Schuß geschehe. Er beantrage, die Regierung möge den Ausnahmezustand über Bayern verhängen.
Das Gesicht des Sebastian Kastner leuchtete auf. Da war sie, die Tat, die er sich vom Flaucher immer erhofft hatte. Das Gesicht des Hartl verzog sich in Mißbilligung. Der Finanzminister schaute pfiffig. Die Herren für Landwirtschaft, für das Innere, für Wohlfahrt, für Handel hockten betreten, peinlich berührt von der krassen Forderung, eine Entscheidung zu treffen. Vorsichtige Stimmen erhoben sich. Einwände hin, Bedenken her.
Flaucher hörte sich alles an. Dann teilte er mit, er habe Fühlung genommen mit dem Geheimrat Bichler, mit dem Kardinalerzbischof, mit Berchtesgaden. Die heimlichen Regenten nämlich hatte er benachrichtigt von dem Telegramm aus Amerika. Diese hohen Stellen, erklärte er wahrheitsgemäß seinen Kollegen, billigten seinen Vorschlag. Alle wurden nachdenklich.
Als schließlich Flaucher abstimmen ließ, wurden bei zwei Stimmenthaltungen die von ihm beantragten Maßnahmen mit fünf Stimmen gegen die einzige des Hartl angenommen. Auf Grund des Artikel 48 Absatz 4 der Reichsverfassung und des § 64 der Bayrischen Verfassungsurkunde verhängte die Regierung den Ausnahmezustand über das rechtsrheinische Bayern. Zum Generalstaatskommissar ernannt wurde Dr. Franz Flaucher.
30
Franz Flauchers gewünschte Stunde
Den Tag darauf fuhr Rupert Kutzner an dem gelben Biedermeierpalais vor. Den Kutzner hatte es im Innersten erschüttert, daß die Regierung eine so
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