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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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bekannt vor. Er ahnte dunkel einen Zusammenhang mit dem Rupert Kutzner, spannte gleich, daß das eine brenzlige Sache war, und strengte sein Gehirn an, wie er da am besten herauskommen könne. Überlegte, ob er mit seinem Vorgesetzten telefonieren solle oder direkt mit dem Ministerium des Innern oder mit dem Oberkommando der Wahrhaft Deutschen oder mit der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing. In dieser Wirrnis blitzte ihm ein ausgezeichneter Einfall auf. Er richtete sich halbhoch und schaute den Alois Kutzner scharf an: »Haben Sie denn überhaupt eine Legitimation?« Der Alois Kutzner, eingeschüchtert, suchte, stammelte herum. Nein, er hatte keine Legitimation. »Was?« rief der Polizeikommissar. »Nicht einmal eine Legitimation? Da könnte jeder kommen.« Und Alois Kutzner zog ab, beschämt, erkennend, daß es auf so billige Art nicht gehe.
29
Die Baumblüte
    Otto Klenk prüfte, ein guter Koch, die kochende Volksseele, ob das Gericht gar sei. Es war gar. Die Zeit war erfüllt. Die einundfünfzig Prozent Sicherheit, die er brauchte, um loszuschlagen, waren da.
    Im Herrenklub, in einem größeren Kreise, traf er den Fünften Evangelisten. Man sprach davon, daß diese Siedehitze im Volk zur Explosion führen müsse; die Geduld der Wahrhaft Deutschen sei am Ende. Der Reindl, wie so häufig, sagte nichts. Er wandte seine gewölbten Augen nachdenklich, träumerisch, ganz leicht lächelnd, von einem zum andern. Der Klenk, kein furchtsamer Mann, erschrak vor diesem Lächeln. Er erkannte nicht klar, wie weit die Wirtschaftdie Ereignisse an der Ruhr bestimmte. Aber er spürte mit gutem Instinkt: die deutsche Schwerindustrie war auf dem Weg, sich mit der französischen zu einigen. Haben sie sich einmal geeinigt, dann wird die Ruhrsache im Nu liquidiert sein. Dann ist die Gelegenheit für die Wahrhaft Deutschen verpaßt, futsch sind dann die einundfünfzig Prozent, und kein Reindl stellt mehr die Musik zu dem Marsch nach Berlin.
    Am andern Tag hatte Klenk eine Unterredung mit Kutzner. Er wurde dringlich. Man habe den Tag der Befreiung so oft und so laut angesagt. Binnen kurzem werde die Blockade der Städte effektiv sein; die Bauern lieferten keine Lebensmittel mehr für das entwertete Geld. Worauf wolle man denn noch warten? Der Parteitag der Wahrhaft Deutschen mit der großen Fahnenweihe, die Kutzner so gewaltig angekündigt habe, sei die rechte Zeit zum Losschlagen. Geschehe wieder nichts, dann würden die Massen die Enttäuschung nicht ertragen. Die Zeit sei erfüllt. Die Baumblüte stehe bevor. Man dürfe nicht kneifen, müsse den Absprung wagen.
    Kutzner hörte ihn aufmerksam an; oft, während Klenk sprach, nickte er bestätigend. Aber als Klenk drängte, zeigte er sich merkwürdig flau, geradezu schlapp. Ursprünglich hatte er selber an diesem Parteitag losschlagen wollen; darum hatte er soviel davon hergemacht. Jetzt wollte er’s nicht mehr. War dafür, die angekündigte Fahnenweihe lediglich als eine Art Generalprobe zu halten. Er suchte für seinen Umschwung politische Argumente. Die wahre Ursache, trotzdem er sich’s nicht eingestand, war eine andere.
    Die wahre Ursache war ein Abend in der Rumfordstraße bei der Mutter Kutzner. Der Führer nämlich kannte keinen Standesdünkel. Er hielt seine greise Mutter in Ehren. Er fuhr großartig vor in seinem grauen Auto; aber dann hockte er wie ein ganz einfacher Mensch bei ihr am Tisch, mit dem Alois und wohl auch mit dem spinnerten Onkel Xaver, der sein narrisches Zeug herunterbrabbelte. Die Alte pflegte die großen Reden des Sohnes über seine Sendung, über die Verantwortungder Führerpersönlichkeit fromm anzuhören, mit einem Gesicht wie in der Kirche. Daß sie manchmal seine Erfolge und die Erfolge des Alois im Ring durcheinanderbrachte, nahm ihr der Rupert Kutzner nicht übel; sie war eben ein sehr altes Leut. An jenem Abend aber, kurz bevor der Rupert gehen wollte, hatte sie, als er gerade einmal eine Pause im Sprechen machte, unversehens herzzerbrechend zu flennen angefangen. Ausgedörrt, gelbhäutig, zerstoßen vom Flennen hockte sie, der Rotz rann ihr nur so aus der eingetetschten Slawennase. Fragte man, was denn los sei, gab sie keine Antwort. Wie der Rupert schließlich gehen wollte, ein Führer ist ein beschäftigter Mann, hatte sie sich an ihn gehängt und hatte zu reden angefangen, getragen wie ein Pfaff: das könnte nicht gut ausgehn, wenn eins sich so überhebe. Sie sehe ihn schon in Stadelheim, wie alle ihren Mist abladen auf ihrem Sohne Rupert. Der

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