Erfolg
habe sich dann erwiesen, daß er eben noch ein Lebendiger war. Und genau wie dieser Professor Nußbaum mache es der Führer, der Kutzner. Wie der Professor Nußbaum an ihm, so rüttle der Kutzner an dem deutschenVolk. Das sei bloß scheintot, aber noch vor der Baumblüte werde es wieder lebendig werden.
Die meisten, gelockert und aufgekratzt durch das Zeichen am Himmel, hörten gläubig zu. Auch der Boxer Alois Kutzner war unter ihnen. Der Daisenberger gefiel ihm, er machte Eindruck auf ihn, aber die wahre Erleichterung brachte auch er ihm nicht.
Der Boxer Alois war in steigender Bedrängnis des Gemüts. Er ging nicht mehr in den »Gaisgarten«; die gottlosen Reden, die neuerdings dort geführt wurden, stießen ihn ab. Er erinnerte sich einer wüsten Szene aus seiner Knabenzeit: wie sein Bruder Rupert bei der Kommunion die Hostie ausgespuckt und in die Tasche gesteckt hatte. Er hatte das bezahlen müssen, war deshalb von der Realschule geschaßt worden. Seit dem Kriege war er anders, der Rupert. Auch aus seinen Reden sprach der Geist des Herrn, in einer besondern Art freilich, und von dem Geschimpf seiner frühen Jahre hielt er sich fern. In der letzten Zeit aber redete er wieder wüst daher wie als Bub, und seine Anhänger redeten ihm nach. Der Alois fand keine Gemütlichkeit mehr im »Gaisgarten«. Er ging jetzt lieber ins Metzgerbräu. In diesem Wirtshaus in der Straße Im Tal fanden sich zusammen die Münchner Athleten. Zu den Melodien einer schmetternden Blechmusik übten sich junge Burschen im Ringen und im Stemmen schwerer Gegenstände. Die Arme auf die Stuhllehnen gestützt, saß der Alois, schaute durch den Tabaksqualm auf den trainierenden Nachwuchs, brummte zuweilen düster etwas Zustimmendes oder Ablehnendes. An den Wänden, in den Ecken hingen und standen herum Reliquien des Steyrer-Hans, seines großen Vorgängers, eines ungeheuer muskulösen Mannes mit einem gewaltigen Schnurrbart und vielen Orden auf der nackten, mächtigen Brust. Alois Kutzner begeisterte sich an den Bildern, wie der Steyrer-Hans einen Mann am Reck hochstemmt oder ein Fahrrad mit drei Radlern. Das Herz ging ihm auf vor den eisernen Spazierstöcken, vor der achtundvierzig Pfund schweren Tabaksdose, die dieser ehemalige Bayrische Herkules gebraucht hatte. Der wäre der rechte Mann gewesen für die Befreiung des Königs.
Aber der lag ja nun auf dem Südlichen Friedhof. Und er allein wurde nicht fertig mit seiner großen Aufgabe. Man schaut das Geld nicht an in einer solchen Sache; aber wenn es so weitergeht, wird er bald ganz ausgesackt sein, und es ist nichts vom Fleck gekommen. An seinem Ersparten riß die Inflation nicht weniger als an dem der andern. Mit seiner Kunst war es auch nichts Rechtes mehr. Jüngere, Wendigere traten an seine Stelle; auf rasche Arbeit des Gehirns kam es an. Manchmal in seiner Kümmernis ging der Boxer in den Hof der Residenz, stellte sich hin vor den riesigen, schwarzen Stein, der dort angekettet lag als Zeichen dafür, ein wie schweres Trumm wie weit und wie hoch der bayrische Herzog Christoph hatte schmeißen können. Träumerisch verharrte er vor solchem Beweis sportlicher Tüchtigkeit; so gute Fürsten waren die Wittelsbacher. Manchmal überfiel es ihn: wer weiß, vielleicht hat man den König in der Residenz selber verwahrt. Vielleicht ahnt der alte, unglückliche Herrscher, daß einer seiner Untertanen ganz in der Nähe ist, voll frommen Willens, ihm zu dienen.
Auch heute abend ging der Alois ins Metzgerbräu. Der Wind war umgeschlagen, er kam aus dem Süden, er brachte mit sich so was wie ersten Frühling, aber er legte sich schwer in die Glieder; auch weichte er den Schnee auf, so daß alles überrieselt war von schmutzigem Matsch, der in das Schuhwerk eindrang. Der Alois schimpfte, schleppte sein Kreuz durch die föhnigen Straßen. Als er schließlich im Metzgerbräu ankam, fand er dort große Gaudi. Einige aus dem Nachwuchs hatten ergiebige Resultate im Stemmen erzielt; man war fidel. In dem dicken Tabaksqualm tanzte zur Blechmusik unter außerordentlichem Beifall einer mit einer Prothese einen Schuhplattler. Das war originell. Aber der Alois Kutzner fand und fand nicht seine richtige Ruhe. Seine Spezln konnten ihn nicht halten; er ging früh fort.
Er ging nicht nach Haus, sondern zur nächsten Polizeistation.Dort verlangte er den Kommissar, und dem erklärte er, er sei der Mann, der die Hausgehilfin Amalia Sandhuber umgebracht habe. Der Polizeikommissar sah ihn an, das Gesicht kam ihm
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